Werbung
Werbung
Werbung

Das World Wide Web ist eine Spielwiese, auf der sich die User zu verstecken suchen. "Darknets" - der neueste Trend, sich virtuell unsichtbar zu machen.

Es gibt im Internet Gruppen von Menschen und auch Unternehmen, die sich mit moderner Software völlig abkapseln - sie vernetzen sich untereinander unnahbar, auch unkontrollierbar, um Daten und Ideen auszutauschen. Ja, auch um Musik und Filme zu transportieren. Solche Vernetzungen werden offiziell Darknets genannt. Es sind regelrechte Internet-Festungen, Gettos für jeweils Gleichgesinnte.

Die Mitglieder eines Darknet schützen sich mit Passwörtern und Codes. Wenn sie merken, dass es einen Verräter in den eigenen Reihen gibt, der diese Sicherheitsschlüssel unbefugt weitergegeben hat, lösen sie sich kurzerhand auf. Um ein neues Darknet zu schaffen, mit neuen digitalen Schutzmauern.

Von Pharma bis Nordkorea

Ein bekanntes, offiziell zugegebenes Darknet-Beispiel betrifft den amerikanischen Pharma-Giganten GlaxoSmithKline. Seine Chemiker und Biologen arbeiten an einem neuen Mittel zum Abnehmen - das soll revolutionär werden. Nicht nur alle, die intern an diesem Projekt arbeiten, sind mittels eines Darknet untereinander verbunden, sondern angeschlossen sind auch - weltweit - einige Forscher an Universitäten und Labors, so dass auch mit ihnen Informationen ausgetauscht werden können. Dieses Unternehmens-Darknet soll verhindern, dass die Konkurrenz von dem Geheimprojekt Wind bekommt. Auch Hewlett-Packard und Siemens sollen sich der Darknet-Technologie zugewendet haben, um sehr sensitive Daten zu schützen.

Ein cleverer 17-jähriger amerikanischer Oberschüler, der sich lediglich als "Trader X" zu erkennen gegeben hat, schuf sich unter der Bezeichnung Direct Connect (DC) sein eigenes Darknet. In dieser Digital-Burg, zu der vorwiegend Schüler und Studenten Zutritt haben, tauschen die Mitglieder frischfrohfröhlichfrei kostenlos heruntergeladene DVDs und CDs aus. Sie scheren sich nicht um die Drohungen und Klagen der US-Platten- oder Musikindustrie, mit der die Weitergabe von CDs unterbunden werden soll. Mit den technischen Möglichkeiten von Darknets hat Hollywood offensichtlich nie gerechnet. Wozu der 17-jährige "Trader X" meint: "So lange das Internet existiert, wird es auch File-Austausch geben."

Die Darknets sind auch politische Wehrdörfer. Sie sind in Staaten aktiv, in denen es keine Presse- und Informationsfreiheit gibt. China ist dafür das beste Beispiel. Dort sorgen die Darknet-Konstrukteure dafür, dass einer ausgewählten Gruppe von Personen der Zugang zu Nachrichten - etwa zu CNN über cnn.com - ermöglicht wird. Auch im Iran, Nordkorea und Syrien sind Darknet-Aktivisten zugange.

Unsichtbarkeits-Software

Für die Einrichtung von Darknets wird spezielle Software benötigt. Die wird kostenlos etwa durch Freenet (www.freenetproject.org) und invisibleNET (www.invisiblenet.com) zur Verfügung gestellt. Auch AOL bot eine zeitlang die kostenlos herunterzuladende Software namens Waste an. Sie ist die sicherste von allen, denn sie schützt ihre Klienten nicht nur durch Passwörter und Zugangscodes, sie verschlüsselt auch noch alle Daten, die von privaten Gruppen ausgetauscht werden. Solche Gruppen übrigens firmieren im Internet-Lexikon als Mesh. AOL hat das Angebot aus dem Cyberspace wieder verbannt, aber existierende Kopien werden von PC-Freaks weiterentwickelt und im Web bereitgestellt. Bekannt sind auch BadBlue (www.badblue.com) und Groove Networks (www.groovenetworks.com). Deren Software allerdings muss gekauft werden. Die Software von BadBlue ist für kleinere Gruppen designed und kostet zwischen 30 und 60 Dollar.

Wie zur Prohibitions-Zeit

Seitdem die US-Plattenindustrie gerichtlich gegen den Copyright verletzenden Musikdiebstahl vorgeht, haben sich die BadBlue-Umsätze um 50 Prozent erhöht, sagt der zuständige Manager Doug Ross. Das Freenet-Herunterladen soll sich sogar in den letzten vier Monaten verdreifacht haben. "Die zahlenmäßig schnell zunehmenden privaten Netzwerke, die sich da abkapseln, sind zweifellos ein Ergebnis des Vorgehens der Musikbosse", bestätigt auch Chris Hedgecock, Präsident des Zeropaid-Darknets, über dessen Seite derzeit 160.000 Mitglieder Daten und Informationen austauschen.

Hollywoods Unterhaltungsindustrie vergleicht solche Darknets mit den "Speakeasies" der amerikanischen Prohibition, jenen Untergrundbars, wo trotz striktem Alkoholverbot ausgeschenkt wurde. Und das Magazin Business Week weist darauf hin, dass Hollywood derzeit kein Interesse hat, gegen Darknets vorzugehen: Die bestünden ja doch meist aus kleineren Gruppen von nur 50 bis 100 Personen. Und dieser Kreis werde schon aus Sicherheitsgründen sehr begrenzt gehalten.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung