Gangs von Neukölln

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Mit seiner (realistischen?) Berliner Milieustudie "Knallhart" liefert Detlev Buck einen weiteren filmischen Beitrag zur "Culture Clash"-Debatte.

Die Welt ist grau und bleich in Neukölln. Und hart. Knallhart. Zumindest in jenem Bild des Berliner Problembezirks, das der sonst so humorige Detlev Buck in seinem neuen Film entwirft. Buck hat es sich nach eigenen Aussagen zum Ziel gesetzt, die Realität gescheiterter Integrationspolitik zu zeigen - und hat sich mit diesem Authentizitäts-Anspruch nicht wenig Kritik eingehandelt. "Wenn man immer so schwarz malt, wird es auch irgendwann pechscharz", kritisierte etwa der Grünen-Politiker Özcan Mutlu - und wünschte sich stattdessen lieber eine "Kultur des Willkommens".

In "Knallhart" ist von einer solchen Kultur freilich nichts zu sehen. Michael Polischka (David Kroß) ist 15 und das, was man verwöhnt nennt. Mit seiner Mama (Jenny Elvers-Elbertzhagen in einer ernsthaften Rolle!) lebt er im noblen Berliner Stadtteil Zehlendorf, hat coole Klamotten und keine Sorgen. Bis Mama sich mit ihrem Liebhaber streitet und dieser beide vor die Tür setzt. Ohne Arbeit und mit wenig Geld landen sie in Neukölln. Dass hier eigene Gesetze gelten, lernt Michael, den alle nur Polischka nennen, schon am ersten Tag. Erol (Oktay Özdemir) und seine Bande nehmen sich den Neuen gleich vor, prügeln ihn und stehlen ihm die teuren Turnschuhe. Polischka wehrt sich nicht, weil er Gewalt bisher nur aus dem Fernseher kannte - und wird so zum tagtäglichen Opfer. Bis er den Dealer Hamal (Erhan Emre) kennen lernt, der ihm Schutz vor Erol bietet, dafür aber seine Dienste als Drogenkurier verlangt. Plötzlich ist aus dem verwöhnten Zehlendorfer ein Kleinkrimineller geworden - der zurückschlägt. Dass einem diese Entwicklung nahe geht, ja fast körperlich weh tut, liegt nicht zuletzt am authentischen Spiel des 15-jährigen David Kroß.

Mit "Knallhart" habe er ein Thema setzen wollen, sagte Buck auf einer Pressekonferenz. Tatsächlich ist sein Film - zumal nach dem Karikaturenstreit und den Debatten um den türkischen Propaganda-Streifen "Im Tal der Wölfe" - unerwartet aktuell. Und in seiner Schonungslosigkeit provozierend. Unmittelbar nach der Premiere bei der Berlinale fragten besorgte Journalisten, ob Buck nicht übertreibe, zu viel Gewalt und zu wenig Perspektive zeige. Worauf dieser mit Verärgerung reagierte: "Es kann nicht angehen, dass die Menschen ohne Augen durch die Gegend laufen", meinte er. "So lange die Leute sagen: So was gibt's doch gar nicht, haben wir wirklich ein Problem."

Das größte Problem ist freilich der jugendliche Frust über Chancenlosigkeit und Deklassierung, der sich erst in Gewalt entlädt. Bucks Film geht auf diese logische Kette ein - und fair mit allen um: Die Figuren sind keine Abziehbilder, sie haben Geschichte und Substanz. Das entschuldigt ihr Verhalten zwar nicht, macht es aber verständlich. Selbst der Schläger Erol hat Momente, in denen man mit ihm Mitleid hat.

KNALLHART

D 2006. Regie: Detlev Buck. Mit David Kroß, Jenny Elvers-Elbertzhagen, Erhan Emre, Inanç Oktay Özdemir. Verleih: Filmladen. 98 Min.

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