Irgendwo zwischen Jazz-, Welt- und Tanzmusik

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Texas, 1960: Die Jazzsängerin Dinah Washington und ihr Orchester spielen vor ausverkauftem Haus. Es ist die Zeit der Rassentrennung, Zuschauer und Musiker sind ausschließlich Afroamerikaner - nur der Pianist ist weiß. Die Jazzdiva stellt ihn als "Joe Vienna" vor. Der kann hier nicht spielen, heißt es von Seiten der Veranstalter. "Wenn er nicht spielt, dann spielt keiner von uns", gibt Dinah Washington zurück. "Und ich spielte", erzählte Joe Vienna, der niemand anderer war als Josef Zawinul aus Wien, Österreichs einziger Jazzmusiker von internationaler Bedeutung. Am 7. Juli feiert Joe Zawinul, dem der Jazz maßgebliche Impulse verdankt, seinen 75. Geburtstag.

Aufgewachsen in einfachen Verhältnissen in Wien-Erdberg, erhielt der Hochbegabte kostenlosen Klavierunterricht am Wiener Konservatorium. Eine Karriere als klassischer Pianist zeichnete sich ab, doch Zawinul wandte sich - wie später sein Studienkollege Friedrich Gulda - dem Jazz zu. 1959 gewann er ein Stipendium und wanderte in die USA aus, wo er von der schwarzen Jazz-Community schnell als einer der ihren akzeptiert wurde und das erste schwarze Playboy-Modell heiratete. Nach seinen Engagements bei Maynard Ferguson und Dinah Washington wurde er Mitglied der Band des Saxophonisten Cannonball Adderly, für den er seinen ersten großen Hit Mercy, Mercy, Mercy komponierte.

Musikalische Fusionen

An Selbstbewusstsein hat es Zawinul nie gemangelt: Er war gerade einmal seit einem Jahr in den USA, als dem Nobody niemand Geringerer als Miles Davis, damals schon einer der größten Stars der Jazzszene, die Zusammenarbeit anbot. "Ich will nicht unhöflich sein", entgegnete Zawinul: "Aber wir machen das erst, wenn es an der Zeit ist. Und wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist, dann machen wir Geschichte." Genauso kam es: Ende der 60-er Jahre spielte Zawinul auf den legendären Davis-Alben Bitches Brew und In a Silent Way, für das Zawinul das Titelstück schrieb. Die beiden Aufnahmen brachten den Durchbruch des Fusion-Stils, der Fusion von Rock und Jazz, in deren Zug elektrisch verstärkte Instrumente Eingang in den Jazz fanden.

Ganz im Zeichen des Jazzrock stand auch die Band Weather Report, die Zawinul 1970 zusammen mit dem Saxophonisten Wayne Shorter gründete. Mit ihr feierte der von der Fachzeitschrift Down Beat regelmäßig zum besten Keyboarder der Welt gewählte Zawinul seine größten kommerziellen Erfolge. Seit den 1990er Jahren entwickelte der Musiker mit seinem aktuellen Ensemble, dem Zawinul Syndicate, einen unverkennbaren Stil, der irgendwo zwischen Jazz-, Welt- und Tanzmusik angesiedelt ist.

Erst relativ spät nahm Zawinul wieder intensiveren Kontakt zu Österreich auf. Von Jugend an war er mit dem späteren Bundespräsidenten Thomas Klestil befreundet, eine Freundschaft, die bis zum Tod Klestils anhielt. 2004 erfüllte er sich einen langjährigen Herzenswunsch: einen eigenen Jazzclub in seiner Heimatstadt Wien. Doch das Birdland, benannt nach dem größten Hit von Weather Report, machte mehr wegen finanzieller Schwierigkeiten als wegen des Musikprogramms von sich reden. Trotz Joe Zawinul, trotz vorhandener Tradition und trotz vieler ambitionierter Projekte ist Wien eben leider keine Jazzstadt.

Michael Krassnitzer

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