Kleingeist - geschichtsvergessen

Werbung
Werbung
Werbung

Nein, das Wort Ewigkeit wollen wir wirklich nicht in de Mund nehmen (resp. in die Tasten klopfen). Aber den Hauch des größeren Ganzen, des Hinausgehens über die Aktualität des Tages atmet die bunte, auf gestrichenem Papier gedruckte Hülle der Sonntags-Krone doch. Bei solcher Beobachtung denken wir nicht nur an die einseitige Auslegung des Sonntagsevangeliums durch den katholischen Kardinal oder die - gleichfalls jeweils eine Seite füllende - Betrachtung bei der evangelischen "Frau Pfarrerin im Gespräch".

Obiger Befund verdichtet sich weiter, wenn das österreichische Kleinformat einen Artikel inklusive Vorspann aus dem Leibblatt des greisen Herausgebers, also aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, vollinhaltlich abdruckt (Thema: Frauen in Tadschikistan). Und wenn Hans Dichand an Großes denkt, schaufelt er in der bunten Sonntags-Ummantelung für sich selbst knapp eineinhalb Seiten frei. Großes denken, wissen wir, heißt bei Dichand allemal, dass der Kleingeist fröhliche Urständ feiert. Und so benutzte er sein Blatt auch letzten Sonntag, um gegen den EU-Reformvertrag zu hetzen. Diesmal hofft er auf ein irisches Volksabstimmungs-Nein, damit Österreich von der EU erlöst wird - und er denkt allen Ernstes an, "in irischen Zeitungen ganzseitige Inserate aufzugeben, die der dortigen Bevölkerung vor Augen führen, was für ein undemokratisches Spiel man mit uns vorhat".

Als ob solche Agitation nicht schon empörend genug wäre: Dichand will, schreibt er, auf diese Weise "die Bürger Österreichs aus der Parteiendiktatur retten". Solch Diktion atmet den Ungeist des Ständestaates oder gar der Hitlerei, die beide die Parteiendemokratie mit ähnlichen Ausdrücken bedacht haben - und das im Gedenkjahr der "Selbstausschaltung" des Nationalrates und des "Anschlusses". Hier hat - wieder einmal - jemand aus der Geschichte absolut nichts gelernt.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung