Mit der Kamera vor der Haustür

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HOMEMAD(E) - Homemad(e)

Ruth Beckermann dokumentiert das Leben vor ihrer Haustür in der Wiener Innenstadt, in der Marc-Aurel-Straße, zur Zeit der politischen Wende in Österreich. Nur selten fängt die Kamera interessante, berührende Menschen ein, und so ist der Film hauptsächlich als politisches Statement gegen die rechte Regierung zu verstehen. Ab 10.

Ruth Beckermann hat ihre Kamera wieder ausgepackt: Ein Dokumentarfilm über die Menschen in der Straße in der sie wohnt sollte es werden, über die Marc-Aurel-Straße, dereinst jüdische Geschäftsstraße, gedreht zu einem Zeitpunkt, in der in Österreich rechte Parteien an die Macht kamen. Es ist wenig verwunderlich, dass dabei eher ein politisches Statement herausgekommen ist: Im Café Salzgries, das sich als kommunikatives Zentrum der Marc-Aurel-Straße herauskristallisiert, nehmen regierungskritische Künstler zwischen einzelnen Widerstandsaktivitäten schnell einen kleinen Braunen zu sich, jüdische Bewohner erzählen ihre Geschichte, der iranische Hotelier spricht über Fremdenfeindlichkeit und wirft Beckermann, die bei ihm noch nie auch nur einen Kaffee getrunken hat, vor, wie viele Intellektuelle nur von Integration zu reden, selbst aber nichts dergleichen zu tun. Zwischendurch erfährt man den engen Terminplan eines geplagten Caféhausbesuchers, der vor einem Galeriebesuch dringend schnell noch ins Dorotheum muss, betrachtet das Foto des verstorbenen Zentrums des Cafés Salzgries, Ernst Göschl, oder erfährt von einer Künstlerin mit Stecktuch, dass sie in ihrer Freizeit gerne "Schmuckerl kaufen" geht.

Es ist wohl schwierig, das Leben in einer Straße der Wiener Innenstadt zu porträtieren, wo das Leben nicht billig ist und sich vieles in einem Café abspielt, das als Künstler- und Journalistentreff bekannt ist, noch dazu, wo viele Menschen zu Wort kommen, die offenbar zum Freundes- und Bekanntenkreis der Filmemacherin gehören. Die Kamera scheint zwischen all den aufgesetzt und belanglos wirkenden Typen, die ihr begegnen, ständig auf der Suche nach interessanten, berührenden, originellen, witzigen Menschen zu sein, was ihr bisweilen auch gelingt: Vom jüdischen Textilhändler Doft beispielsweise oder von Senta Segall, die erzählt, dass sie über ihre Erlebnisse im Konzentrationslager nie alles erzählen wird, hätte man gerne mehr gesehen, aber auch vom Kellner, der seinen Beruf für Schauspielerei hält. Solche Momente machen die Dokumentation sehenswert, ein wie auch immer geartetes Bild vom Leben in der Marc-Aurel-Straße oder von der Stimmung zur Zeit der politischen Wende in Österreich erschließt sich freilich nicht. Irritierend ist auch die einleitende Stimme Beckermanns im Hintergrund, die in ihrem langsamen, dozierenden Stil eher an die "Sendung mit der Maus" erinnert und mit gewollt originellen Sprachspielchen und Plattitüden hauptsächlich störend wirkt.

Insgesamt gehört "Homemad(e)" bestimmt nicht zu den gelungensten Dokumentarfilmen Beckermanns, auch wenn das Konzept grundsätzlich nicht uninteressant ist und es Momente gibt, in denen deutlich wird, was vielleicht möglich gewesen wäre.

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