6744783-1967_03_15.jpg
Digital In Arbeit

Eine Cantefable

Werbung
Werbung
Werbung

Aus dem Dunkel vergangener Jahrhunderte holte ein Wiener Ensemble für alte Musik die zauberhafte Geschichte der unerschütterlichen Liebe von „Aucassin und Nicolete“ ans Licht und in unsere Stadt. In der österreichischen Erstaufführung dieser Cantefable, einer Spielmannserzählung aus dem 13. Jahrhundert, die H. C. Artmann aus dem Altfranzösischen nachgedichtet und Klau Walter musikalisch eingerichtet hat, zeigte das junge Ensemble, daß es seinen Namen „Les Menestreis“ zu Recht trägt: Die sechs Wiener „Spielleute“, alle Absolventen der Akademie, improvisierten begeistert als Schauspieler, Sänger, Musiker, Deklamatoren, Pantomimen, Possenreißer und Akrobaten, wie es das Spielmannslied in seiner eigentümlichen Kombination von Vers und Prosa, Musik und Sprache, Erzählung und Dialog verlangt. Nach gesicherter Spielmannspraxis wurden noch weitere Musikstücke nach zeitgenössischen Handschriften eingeflochten und auf historischen, zum großen Teil selbst verfertigten Instrumenten geboten. Morie Therese Escri-bano zeichnete leicht ironisierend den unheldenhaften Helden Aucas-sin, an burlesken Einfällen und Spielbegeisterung überboten sich die Brüder Klaus und Michel Walter. Neben dem Verdienst, durch die praktische Aufführungsarbeit einen Beitrag zur Erforschung des musik-und theaterwissenschaftlich so interessanten Genres „Cantefable“ zu leisten, hat sich das Wiener Ensemble für alte Musik den Dank und die Anerkennung des kleinen Zuschauerkreises erworben, dem es mit der durch die Zentralsparkasse der Gemeinde Wien ermöglichten Aufführung im Alten Wiener Rathaus einen ebenso anspruchsvollen wie reizenden Abend geboten hat. Es wäre sehr zu wünschen, daß „Les Menestreis“ bald ein größeres Publikum mit ihrem heiteren Spiel von „Aucassin und Nicolete“ erfreuen können.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung