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Laute Lebensklänge

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Neun Männer treten auf das Podium, setzen sich an einen rechteckigen, mit einem grünen Tuch verhängten Tisch. Einer verschränkt die Arme, der andere schlägt ein Bein über das andere, der dritte schaut in die Luft. Dann hebt er einen grünen Bleistift hoch, und ein Spektakel beginnt: Ein Poltern, Lachen, Bellen, Schreien, Bassein, Klagen, Juchzen, alles, nur kein gewohntes Singen ist in den nächsten Stunden zu hören. „Clement Janequin", eines der bekanntesten Vokalensembles für Renais-sancepolyphonie, zeigte sich von seiner lebendigsten, komödiantischsten Seite im Rahmen der diesjährigen „Resonanzen", des Festivals für Alte Musik im Wiener Konzerthaus. Die ganze Bandbreite menschlicher Ausdrucksmöglichkeiten kam - im Sinne des Festival-Mottos conditio hum-ana - vor. Schon am Vortag hatte der Tenor Paul Agnew dem Publikum in ganz unsängerischer Manier neben seinem Begleiter, dem Lautenisten Christopher Wilson, sitzend, englische Lieder der Benaissance von Thomas Morley bis John Dowland schlicht und einfach vorgesungen, und zwar in einer Brillanz und Schönheit, die ihresgleichen suchen muß. Ein wenig war zu ahnen, wie sich Musik vor der Entstehung des bürgerlichen Konzertbetriebs abgespielt haben mochte. Und wäre der Konzertsaal ein Salon gewesen, wo auch die Laute ein wenig lauter zu hören gewesen wäre, und hätte das Publikum den Abend nicht durch schnöden Applaus nach jedem einzelnen Lied zerstört, es wäre perfekt gewesen.

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