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Mögen Sie Moog?

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Man fragt nicht mehr: „Lieben Sie Brahms?“, sondern bejaht (und verneint gelegentlich) die aktuell gewordene Frage: „Mögen Sie Moog?“ Das „Instrument“ (Moog-Süchtige protestieren gegen die Bezeichnung „Apparatur“) wurde von Dr.-Ing. Robert Moog erfunden, der es seit geraumer Zeit in Trumansburg (Staat New York) serienweise erzeugt und den Bestellungen kaum nachkommen kann. Der elektronische Klangmischer wurde auf dem internationalen Instrumentenmarkt als „Moog-Synthesizer“ bekannt; sein Hauptprophet ist der aus Berlin gebürtige Komponist Gershon Kings-ley, der sich, unweit der Carnegie Hall, das erste „Moog-Studio“ eingerichtet hat.

Er unterzog die Verwendbarkeit des Instruments einer öffentlichen Prüfung, als er in der nahezu ausverkauften Carnegie Hall ein Konzert des von ihm gegründeten „Ersten Moog-Quartetts“ veranstaltete. Vier Moog-Apparate standen zu Füßen eines schwarz drapierten Stufenaufbaues, vor dem Kingsley — just wie der noch kerngesunde Suppen-Kaspar frisiert — als taktstockloser Dirigent das Kommando über vier Moogisten und ein rechts und links placiertes Schlagzeuger- und Vokali-stenquartett übernahm. Auf einer Leinwand, dahinter flimmerten Filmstreifen und Bildmuster auf — und das Erstaunliche an Johann Mays Multi-Media-Regie war, daß sie fehlerlos funktionierte. Das Publikum erlebte das sonst nur Orchestermusikern gegönnte Schauspiel, das Mienenspiel des ihm zugewandten Dirigenten in allen Einzelheiten zu studieren: ein Showman ä la Leonard Bernstein, ersetzt Kingsley dessen körperliche Theatralik durch verzückte Blicke und verklärten Augenaufschlag ...

Aber Kingsley wollte seine Jünger nicht überrumpeln oder verhexen: er nahm aufs Trommelfell Rücksicht, und die ausgesparte filmische Illustrierung der Musikstücke bedeutete kein Ablenkungsmanöver vom Aufnehmen der seltsamen Klangmischungsstudien. Kontrastreich gegliedert, wechselte die Vortragsfolge von „Songs to moog by“ (mit Singsang des auch rezitierenden Song-ster-Quartetts garniert) über Volksliedhaftes („London Bridge“) zu reinen Soundgemälden und bis zu Andrea Gabrieli und Gioacchino Rossini, denen ein Allegro-Exzerpt aus Händeis „Wassermusik“ größte Konkurrenz machte. Der Erstversuch manifestierte beide Pole des Experiments; den positiven: die Realisierung der Verwendbarkeit des Moog zur Transformierung und auch zur Neuschaffung von Musik; ebenso den negativen: nämlich die Verminderung einer anfangs verblüffenden Imitierungskunst durch ständig wiederholte Klangformationen.

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