6767089-1968_39_15.jpg
Digital In Arbeit

Persiflierter Kitsch

Werbung
Werbung
Werbung

Die „Komödianten“ im Theater am Börseplatz nehmen im Bereich des Wiener Theaters durch originäre Leistungen eine Sonderstellung ein. Sie haben sich einen eigenen Aufführungsstil erarbeitet, geeignete Stücke werden weitgehend ins Gestische, ja, Pantomimische umgesetzt Gegebenenfalls bieten sie auch Gedichte, Prosa, Lieder szenisch, sozusagen als theatralische Environe- ments dar, womit sie ebenfalls die Konvention durchbrechen. Diesmal heißt sich das Programm „Kaiser- und Küchenlieder", dazu stellt die Bühne eine Küche samt allem Zubehör dar. Und während Ilse Scheer als Köchin den Teig abrührt, Kartoffel schält, das Geschirr wäscht, singt sie mit Rudolf Stodola als Zimmerherr

Schnulzen von einst, wozu er Gitarre oder Ziehharmonika spielt. Es kann auch sein, daß sie einmal zur Zither oder Mandoline greift. Die Sentimentalität in der Devotion vor allerhöchsten Herrschaften, die Moritatenseligkeit, die Romantik um den Räuber Rinaldini, das Schaurige bei einer Beraubung im Totengewölbe, die tränenreichen Gefühle um eine Kindesmörderin feiern Orgien, und wir lachen darüber, weil dieser Kitsch nicht mehr unser Kitsch ist. Gesteigert wird die Wirkung durch den langsamen, gefühlsseligen Vortrag und seine Kontrastierung mit den Küchenverrichtungen, die zur optischen Persiflage des Gesungenen werden. Einfälle muß man haben, hier hat man sie.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung