Zum drittenmal jährten sich die Klosterne u-burger Kulturtage, zum drittenmal auch Goethes „U r f a u s t“ vor dem Portal der Stiftskirche. Peter Weihs hatte die Freiluftaufführung inszeniert und Helmut Janatsch den Faust, Sieghardt Rupp den Mephisto und Inge Brücklmeier das Gret-chen dargestellt — und wider Erwarten gefiel das alles den ambitionierten Stadtvätern von Klosterneuburg ganz besonders und dem zahlreich sich einstellenden Publikum auch nicht eben schlecht, denn vom künstlerischen Standpunkt, sachlich und fachlich gesehen, war das Unternehmen alles andere denn ruhmreich. Bis zur (aus dem „Faust I“ hierher verpflanzten) Paktszene war es immerhin noch erträglich, in Auerbachs Keller aber bahnte sich die Katastrophe an, und beginnend mit dem Auftreten der Marthe Schwertlein war der Klosterneuburger „Urfaust“ zur Parodie geworden. Wenn Laienspieler, Liebhaber aus Klosterneuburg und Umgebung, die Aufführung bestritten hätten, ließen sich ja noch die aufgewendete Mühe und der gute Wille einkalkulieren, doch so, da Berufsschauspieler am Werke waren und ein Berufsregisseur und ein Berufsberater, darunter Schauspieler des Burgtheaters und ein Dramaturg des Burgtheaters, dürfte dergleichen eigentlich nicht passieren:
Helmut Janatsch deklamierte und betonte falsch den Text des Faust, Sieghardt Rupp hatte sich als Mephisto etwas schwer Beschreibliches zurechtgelegt, und bei Inge Brücklmeiers zu betagtem Gretchen waren alle aufgesetzten Töne, alle Pose und alle hohle Larmoyanz im drittklassigen Einsatz, um von Frau Lotte Lang Marthe Schwertlein, Georg Hartmanns Siebel und Felix Pflichters Frosch gar nicht zu reden. Auf alle übrigen Mängel dieser Inszenierung, beginnend mit der Stimme des Herrn, die absolut unverständlich vom Band ertönte, näher einzugehen, erübrigt sich. Ambition und Kultur sind eben nicht unbedingt identisch, und der gute Wille schließt die Kunst nicht immer ein.
