Freundlicher Applaus für Joseph Roth

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Prosa auf die Bühne zu bringen tut dem Theater nicht immer gut: Nach "Mephisto" steht nun ein weiterer Roman am Spielplan des Burgtheaters. Joseph Roths "Hiob" erzählt zwar höchst dramatisch vom leidgeprüften jüdischen Schriftgelehrten Mendel Singer, auf der Bühne aber verpufft Roths feine Sprache in Klischees und sentimentalen Bildern.

Der ostjüdische Thora-Lehrer Mendel Singer lebt mit seiner Frau Deborah im russischen Kluczýsk, das jüngste der vier Kinder ist krank, vermutlich handelt es sich um Epilepsie. Gleich zu Beginn erleidet Tino Hillebrand als Menuchim einen Anfall, wild zuckt der zarte Körper. Mendel deutet die Krankheit als Strafe Gottes und schlägt alle Bemühungen seiner Frau, Menuchim ärztlich behandeln zu lassen, in den Wind. Regina Fritsch ist als Deborah eine tatkräftige und doch durch die Verheißungen eines besseren Lebens verführbare Frau, missachtet vom Ehemann, der sich allein für den Glauben interessiert. Einzig Fritsch überzeugt in dieser langatmigen Inszenierung, die vor allem aus Auf-und Abtritten der Akteure besteht. Peter Simonischek als Mendel Singer sitzt durchwegs -fast immer den Talmud studierend -an der Rampe. Manchmal steht er auch auf einer der hölzernen Bühnenwellen in Stefan Hageneiers brauner Hügellandschaft und blickt sehnsüchtig in die Ferne. Zu Gott? Oder blinzelt er in Richtung Westen?

Über dem Geschehen leuchten verheißungsvoll die Lettern "America", einer der Söhne wandert dorthin aus und macht das große Geld. Und auch Mendel folgt ihm mitsamt Deborah und der nymphomanischen Tochter Mirjam (Stefanie Dvorak), die sich tagein, tagaus hinter den Hügeln mit feschen Kosaken vergnügt. Aber in Amerika angekommen erwartet sie nicht die neue, gelobte Welt, vielmehr holt sie die Vergangenheit ein, "nur etwas größer. Es gibt hier mehr Juden als in Kluczýsk, das ist alles", resümiert Deborah und lacht aus Verzweiflung über die verlorenen Hoffnungen und den in Russland zurückgelassenen Sohn Menuchim. Das Wunder seiner Genesung wird sie nicht mehr erleben, stattdessen aber den Verlust der anderen Kinder. Der eine geht als Soldat verschollen, der andere fällt im Krieg und die Tochter wird verrückt. Wie Ophelia quert Stefanie Dvorak barfuß im weißen Hemd die Bühne, welch Klischee. Ebenso wirkt der irische Emporkömmling Mac (Oleg Tikhomirov) wie ein Abziehbild amerikanischer Integration, auch die jüdische Familie und der Rabbi entsprechen auf allen Ebenen Stereotypen. Gegen die Mutmaßungen geht es am Ende für Mendel doch noch gut aus. Doch will man es nicht mehr ganz glauben. Zuviel Sentiment hat das Herzzerreißende dieser Geschichte überdeckt. Zu große Gesten haben die feinen Töne zerstört. Der freundliche Applaus galt wohl vor allem Joseph Roth.

Hiob Burgtheater, 28. Februar, 2. und 7. März 2019

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