Ist ein Mann in Brunnen g'fallen

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Genau besehen hat der mehrfach ausgezeichnete in Berlin lebende Exiliraner Mehdi Moradpours mit "Ein Körper für Jetzt und Heute" keinen Text für das Theater geschrieben. Jedenfalls keinen dramatischen. Im Jargon des Postdramatischen ausgedrückt, handelt es sich um Textflächen. Kaum gibt es im engeren Sinn Dialoge zwischen Menschen. Das erstaunt umso mehr, als es doch um das Problem des Körpers geht, genauer gesagt um die Frage des Körper-Habens oder des Körper-Seins und was das eine oder andere im Zeitalter der Cyborg-Diskussion für Perspektiven eröffnet.

Im Zentrum des nun am Schauspielhaus Wien uraufgeführten Stücks steht der homosexuelle Elija, der sich, um im Iran seine Liebe offen leben zu können, einer Geschlechtsumwandlung unterzieht, die im Gegensatz zur Homosexualität, auf die die Todesstrafe steht, gestattet ist. Dabei aber bleibt der innere Konflikt vage, Regie und Darsteller ersticken ihn in Wut.

Statt menschliches Ringen um Selbstermächtigung, Identität und unterdrückte Sehnsüchte hält der Text dafür umso mehr Diskurse bereit über fossile Brennstoffe, den Wert von Blutegel, manifestartige Passagen über Themen wie "ungeliebte wahrnehmungen: klassenkampf oder kulturkampf", ein Aufruf für oder gegen die "wüste des kapitalismus", die "wüste des radikalen monotheismus", etc. oder der Text bietet einfach (nicht selten pseudopoetisch überhöhte) Beschreibungen von Handlungen wie "ein soldat liegt im grab /eine märtyrerin ist ortlos / sie ist die spannung zwischen jetzt und später / eine störung in der mitte der vermittlung / im medium der meditation" usw.

Das muss ja nicht unbedingt schlecht sein, erfordert aber einen Regisseur der sich traut, auf das Material zuzugreifen, über es hinauszugehen. Der noch junge, 1988 geborene Regisseur Zino Wey hat sich nicht getraut.

Statistisches Thesentheater

So wird dieser Abend, an dem das Beste ist, dass er nur wenig mehr als 80 Minuten dauert, ein unfreiwilliger Anschauungsunterricht, was passiert, wenn einem Regisseur zu einem Text so gar nichts einfällt. Ein mit biederem Ernst vorgetragenes statisches Thesentheater, bei dem die Darsteller meistens in einem die ganze Bühne einnehmenden Nachbau des Fritz-Reuter-Brunnens in Neukölln herumwaten, hilflose Verdrehungen mit ihren Parkas und Pullover vorführen, wenn sie nicht mit hängenden Schultern und betroffenen Gesichtern frontal ins Publikum die Textsuada schreien. Das alles ist ungefähr so sinnlich wie ein Zwieback und wird auch nicht besser durch die live aufgenommenen Videobilder.

Die eigentliche Uraufführung -der Rezensent vermag hier nicht zu beurteilen, ob sich das überhaupt lohnt -steht noch aus.

Ein Körper für Jetzt und Heute Schauspielhaus Wien, 7., 8., 9., 10. Februar

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