Tyll - © Jan Friese

Kehlmanns „Tyll“ und eine Psycho-Tanzstunde in Salzburg

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Till Eulenspiegel lebte im 14. Jahrhundert als niederdeutscher „Erzschelm“ und Witzemacher, Daniel Kehlmann hat ihn in seinem Roman „Tyll“ in den Dreißigjährigen Krieg (1618–1648) transferiert. Diesen Roman brachte das Schauspielhaus Salzburg als Drama, als Reportage, zu Beginn der neuen Spielzeit auf die Bühne. Maya Fanke hat den üppigen Stoff bewältigt, am dichtesten dort, wo es am Grausamsten zugeht. So wurde die unterirdische Szene mit den Mineuren bei der Belagerung Brünns zu einer der stärksten Szenen; sie brachten sich in der Dunkelheit bei den Sprengarbeiten gegenseitig um. Genau dorthin war auch Tyll am Ende geschickt worden.

Simon Jaritz-Rudle gab die schillernde Person des Tyll in all ihren Schattierungen, um ihn herum agierte das Ensemble des Hauses, wobei eine Szene mit der von Kehlmann eingeführten Figur der Elisabeth Stuart durch Christiane Warnecke besondere Kontur erhielt. Die Bühne (Ausstattung: Agnes Hamvas) zeigte mit einem Steinhaufen und zwei Balken, dass dieser Text nach Balance verlangt. Die Personen erzählen, was sie nicht spielen dürfen.

Auf der Studio-Bühne wurde man mit dem Titel „Die Tanzstunde“ von Mark St. Germain an ein vertrautes Kommando aus der Tanzschulzeit erinnert: „Vor – Seite – Schließen“. So ähnlich geht es in dieser therapeutischen „Tanzstunde“ zu: „Vor“ – da war zunächst nichts als Geräusch, erzeugt von der Tänzerin, während der Geophysiker vor einem Kartonberg eine Schachtel beschriftet. Das dauert, bis sich dann die Figuren bewegen: „Seite“ – der Professor, gehandicapt von einem Autismus, in absurder Schritt-Schritt-Stopp-Folge, die Tänzerin mit Bein-Prothese, schwer lädiert nach einem Unfall. Der mit einem schweren Kommunikationsdefizit behaftete Mann bietet der Tänzerin für eine Stunde Tanzunterricht 2165 US-Dollar. Das geht eine Weile so, bis man meinen konnte, das dritte Kommando „Schließen“ bedeute das Ende, der Psychoknoten sei gelöst, das Liebespaar komme mit seinen Behinderungen zurecht. Da gibt es noch einen Knall: Madame verweigert sich einer gemeinsamen Zukunft.

Sollte dies eine Komödie sein, so hat Regisseur Simon Dworaczek zu sehr auf das Tragische der beiden Existenzen gesetzt. Dafür waren aber Theo Helm als Geo-Professor und Tilla Rath als Tänzerin beide ganz ausgezeichnet in der Schilderung ihrer körperlichen und psychischen Defizite.

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