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Nachtgestalten oder Helden

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In der Literatur gehören Räuber zu jenen Archetypen, die schon in der Volksdichtung eine Rolle spielen, und zwar die Rolle des dämonisch Bösen wie Fafnir in der nordischen Heldensage. Er erschlägt seinen Vater, einen Zauberer, raubt den Goldschatz und verwandelt sich in einen Drachen. Auf diesen mythologischen Ursprung der Räubergestalten verweist Karl Andreas Edlinger im Vorwort zu der von ihm herausgegebenen Anthologie „Geld oder Leben“, die siebzehn Räubergeschichten aus zehn europäischen Ländern umfaßt. Häufig begegnet man, wie Edlinger ausführt, dem „Räuber aus Lebensgier“, der dann dem sogenannten „edlen Räuber“ weichen muß, dem Helfer der Armen und Beschützer der Unschuld, der zum Vollstrecker ausgleichender Gerechtigkeit wird. In diesem Zusammenhang sei an Schillers Karl Moor als die bedeutendste Verkörperung des edlen Räubers erinnert. 1797 verfaßte Christian August Vulpius den Roman „Rinaldo P.inaldini“, das Hauptwerk und den Inbegriff dieses Genres. Es folgte eine Flut ähnlicher Räuberromane, deren Niveaugefälle diese Literaturgattung immer mehr in Mißkredit brachte.

Den Reigen der Räubergeschichten eröffnet die Anthologie mit einer Erzählung von Grimmelshausen. Sie entstand vor etwa dreihundert Jahren und gehört somit der deutschen Barockliteratur an. Hierauf kommen unter anderen Friedrich von Schiller, Walter Scott, Prosper Merimee, Friedrich Hebbel, Nikolai Ljesskow, Anton Tschechow und Luigi Piran-dello zu Wort. Einige Erzähler des 20. Jahrhunderts machten das Charakterbild des Räufoers zum Objekt symbolistischer und surrealistischer Gestaltung, wie Dino Buzzati und der tschechische Autor Ivan Olbracht, deren Beiträge ebenso literarisch wertvoll wie psychologisch aufschlußreich sind. Österreich ist durch Leo Perutz und Alexander Sacher-Masoch, Jugoslawien durch den serbischen Erzähler Svetolik Rankovic vertreten. So verschiedenartig auch die Diktion dieser Novellen und Kurzgeschichten sein mag und so fragwürdig die Existenz eines jeden Räubers ist, glimmt doch in der Düsternis dieser Menschenherzen noch ein Fünkchen Idealismus, und Dichtem ist es, aus dieser Sicht heraus, gegeben, das Leben dieser verfemten Nachtgestalten heldisch darzustellen.

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