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Theater der Shakespearezeit

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Theater der Shakespearezeit bot Ende Juli, also just zum Höhepunkt der toten Saison an Wiens Bühnen, das Gastspiel des Drama Department der Universität Bristol, das im Schönbrunner Schloßtheater John Websters fünfaktige Tragödie „Die Herzogin von Amalfi“ (The Duchess of Malfi) zu einer stilechten Aufführung in Gewand und Geist des elisabethanischen Zeitalters brachte. Die Szene, die Innenräume eines Renaissancepalais andeutend, vertrat die verschiedenen Schauplätze der Handlung in enger Anlehnung an die.Londoner Erstaufführung des Stückes im Jahre 1613. Es handelt von der jungverwitweten Herzogin von Amalfi, die gegen den Willen ihrer beiden Brüder heimlich ihren Hofmarschall heiratet und dafür von diesen verfolgt, gefoltert und schließlich ermordet wird, wobei die verwirrende Intrige zuletzt auch den Tod der übrigen Hauptbeteiligten herbeiführt und das Stück dadurch in ein allgemeines Blutbad hineinsteuert. Von diesem Inhaltsabriß auf ein Schauerstück zu schließen, wäre jedoch verfehlt, vielmehr treten die eigentümlichen Züge des „Morality play“ in Spiel und Darstellung stark hervor und verdecken stellenweise geradezu die Struktur der an sich dünnen Handlung. Neben der Moritat wurden die Elemente des dichterischen Theaters in lyrischen Stellen und Sentenzen sichtbar, die die Nähe zum Shakespeare-Theater spüren ließen. Die Umrahmung des Geschehens durch Madrigale des frühen 17. Jahrhunderts, wie sie damals als „music of division“ üblich war, wirkt übrigens nicht minder modern. Dem Reinhardt-Seminar ist für die interessante Veranstaltung zu danken, die kulturgeschichtliche Einblicke in das Werden der Kunstformen und den Geist der Renaissancezeit vermittelte.

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