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Aufgewärmte Romantik

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Wenn auch die offiziellen Ferienwochen von Juli und August die politische Tätigkeit in Belgien weitgehend lahmgelegt haben, zumindest was ihre parlamentarischen und gouvernementalen Funktionen anbelangt, so mangelt es im Lande doch nicht an Brennpunkten, welche oft genug Diskussionen entfesseln. Einmal mehr sind es die Beziehungen zum Kongo, die im Vordergrund des öffentlichen Interesses stehen. In mancher belgischen Familie, die Angehörige im Dienste der Entwicklungshilfe in der Exkolonie hat, hat sich von neuem tiefe Beunruhigung und Bestürzung, wenn nicht bereits Trauer ausgelöst.

Pilgerfahrt zur Yser

Im innenpolitischen Bereich des Sprachenproblems brachte der Sommer zwar wenig Aufregendes, doch gibt es ein alljährlich wiederkehrendes Ereignis, das in seiner Art einmalig charakteristisch ist und der Erwähnung verdient Es handelt sich

um die traditionelle „Pilgerfahrt zur Yser“, einem kleinen Flüßchen in Westflandern, nahe der belgischen Küste. Dieser kleine Fluß wäre für die belgische Geschichte und für die Streitigkeiten zwischen den beiden Sprachgruppen ohne Bedeutung, erhöben sich nicht an seinem Ufer, nahe dem kleinen Städtchen Diks-muiden, zwei Türme, die zum Symbol der flämischen Bewegung geworden sind. Der eine von ihnen ist reichlich alt, ist aber durch eine Dynamitladung nach dem Kriege mutwillig zerstört worden. Ihm gegenüber wurde deshalb von begeisterten flämischen Nationalisten ein neuer erbaut, als Symbol des nicht unterkriegbaren flämischen Lebenswillens. Der alte Turm heißt nun „geschändeter Turm“, der neue „Turm der unendlichen Geduld“, und um beide spinnen sich unzählige heiter-düstere Sagen und Mythen, die von stark romantisch gefärbten Gefühlen zu einer Befreiungslyrik und -mystik emporgehoben wurden.

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