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Exzentrischer Schreihals

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Thomas Bernhard in Wien und das auf französisch! Meistens brüllend und sämtliche Einrichtungsstücke seiner Wohnung in allen Posen erklimmend, zeigt sich Serge Merlin in „Simplement com-plique” (Einfach kompliziert), einer Inszenierung von Jacques Rosner im Wiener Studio Moliere.

Der 82jährige Schauspieler, ein von Thomas Bernhard für Bernhard Minetti entworfener, wie ich finde neurotischer und von Angst vor der Außenwelt geprägter Charakter, der seit Jahren seine Wohnung nicht ver-. lassen hat und im stillen mit den Menschen ins Gericht geht, wird bei Bos-ner zu einem exzentrischen Schreihals.

Die Kraft des Stückes, die der Aggression entspringt, die sich sein Leben lang in den alten Schauspieler hineingefressen hat und manchmal hervorbricht, geht hier verloren. Was wie ein brodelnder, ständig leicht eruptierender Vulkan erscheinen sollte, wird hier zu einem offenen Ausbruch, der den Hinweis auf die Gefahr der stillen, auf die Außenwelt projizierten Aggression missen läßt. Im letzten Abschnitt wird es aufgrund von Merlins ermattenden Bewegungen und seines Gebrülls immer schwerer, ihm zu folgen.

Das Faible der Franzosen für Thomas Bernhard wird vielleicht verständlicher, wenn man an die französischen Existentialisten wie Albert Camus denkt, der, ausgehend von der Idee des Absurden, die Theorie der Unerträglichkeit und Sinnlosigkeit des Daseins, das es würdig zu ertragen gilt, entwickelte. Immerhin konnte man Bernhard auf französisch in einer Neuinszenierung sehen, was auf deutsch in Österreich ja verboten ist.

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