Nach dem „Tanzenden Hiob“ ist es eine andere Gestalt des Alten Testaments, die Martin Gutl zu Meditationen anregt. Abraham - aber mehr als eben dieser Mann aus der Genesis, Abraham als Sinnbild jedes Menschen, der es wagt, aus eingefahrenen Bahnen auszubrechen, sich hinaustragen zu lassen:
Du birgst mich,
du erziehst mich zur Weite,
indem du mich aus dem Paradies vertreibst.
Du hast mich aus dem Nest geworfen.
Einen unruhigen Geist hast du in meinen Lehm gehaucht.
Du läßt mich nicht ruhen.
Wie Abraham drängst du mich aus Ur in Chaldäa.
Jahrzehnte werden vergehen,
bis Licht und Dunkel geeint sind in mir,
wie sie eins sind in dir.“
Den Gedanken Gutls, die von den entsprechenden Textzitaten der Genesis abgelöst sind, gibt der deutsche Graphiker Andreas Feiger in seinen Holzschnitten die bildhafte Untermalung. Hier spielt alles zusammen: die kurzen Zitate der Bibel, die bewußt einfachen Bilder, die Meditationen. Nichts stellt eine fertige Lösung vor den Leser oder Betrachter, alles ist nur Angebot, Hilfsmittel, um sich selbst in diese Probleme zu vertiefen.
Das Werk ist in ökumenischer Zusammenarbeit zwischen dem Grazer Seelsorger Martin Gutl und dem Graphiker Andreas Feiger entstanden, der mit seiner Familie in der evangelischen Gemeinschaft der Jesusbrüder im Taunus lebt. „Ist es nicht ein Geschenk, daß der Katholik das Wort formuliert, während der Protestant die Bildaussage trifft?“ schreiben die Autoren im Vorwort.
DU BIST ABRAHAM. Meditation in Wort und Bild. Von Martin Gutl und Andreas Feiger, Präsenz-Verlag, Verlag Styria, Graz-Wien-Köln, 128 Seiten, 18 mehrfarbige Holzschnitte. S 350,-.
