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Abschied vom Schizirkus

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Der Schisport ist in Osterreich zu einem wichtigen Wirtschaftsfak-tor geworden, und die Wirtschaft bestimmt maBgeblich unsere Politik. So war's ein Schock, als uns just zwischen Weihnachten und Neujahr Petra Kronberger mit der Entscheidung iiberfiel, sie wolle dem Rennsport kiinftig entsagen. Unsere erfolgreichste Lauferin will nicht mehr! Sie hatte es bis zum Titelbild auf dem Time-Magazin gebracht -und jetzt geht sie mit 23 in Pension! Die Schiwelt stand Kopf, und zur Winterszeit ist die Schiwelt ganz Osterreich.

Wie der Zufall so spielt, las ich wahrend der Feiertage Norbert Gstreins Roman „Das Register” und lernte bei der Lekture Petra Kronberger verstehen. Norbert Gstrein verarbeitet in diesem Buch namlich auch Erfahrungen, die sein Bruder Bernhard Gstrein im Schizirkus gemacht hat. Ein „irritierender Zirkus, ein Spuk, eine wahnwitzige Karussell-fahrt”, die den Menschen verandert, der sich ihm ausliefert. Ein paar Zehntel- oder Hundert-stelsekunden entscheiden iiber Sieg und Niederlage. Und das „Null Komma null irgend etwas” wird in Pramien und Preisgeld zu Zahlen. Der Bruder, ein „Vorfiihr6sterreicher”, ein „Liebling der Nation” wurde immer zynischer: „Was zahlte -was zahlte, war Geld, und so oder so schien es von vornherein immer Schweigegeld zu sein...”

Sie machen ihr Rhetorikpro-gramm, die Helden der Nation, und ein Interview gleicht dann dem anderen. Immer die gleichen Fragen, immer die gleichen Antworten. Und das, was wirklich wichtig war, wurde vorher oder nachher gesagt -nicht im Interview.

Die Betreuer betreuen so fiirsorglich, daB die Stars in ihrer Anwesenheit wieder „augen-blicklich auf den Status eines Schulbubs zurucksanken”:

Die Karussellfahrt sorgt dafiir, daB man nicht zum Denken kommt, und sowie man anfangt zu denken, ist es zu spat. Aber es fangt halt einer zu denken an, wenn er nachtelang vor Rennen wach lag, und mit der Angst kam die Angst vor der Angst. Aus dem Zynismus wird Teilnahms-losigkeit als Lebenshaltung. Mit dem Denken kommen die schweren Stiirze.

In einem „profil”-Interview hat Petra Kronberger die Griinde fiir ihren EntschluB so geschildert: „Ich war nicht mehr bereit, jedes Risiko einzugehen. Plotzlich taucht die Frage auf, was ist, wenn da was passiert? Und wofiir machst du das dann, wenn du alles gewonnen hast. Und plotzlich wirst du unsicher im Denken und im Schifahren.”

Eine im wahrsten Sinne des Wortes heilsame Unsicherheit hatte die Petra Kronberger erfaBt.

Petra Kronberger hat rechtzei-tig zu denken angefangen.

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