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Alles nur Zufall?

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Im Jahre 1924 wird die erste Erzählung Anna Seghers in einer deutschen Zeitung abgedruckt. Von da an gings bergauf; und obwohl die Autorin in ihrer 1948 erschienenen Jason-Geschichte schreibt: „Es war kein Schicksal im Spiel und keine Vorsehung. Es war alles Zufall. Es gab dabei kein Gesetz. Es gab dabei keinen verborgenen Weg mit einem Ziel", so ist es doch das Schicksal unseres Jahrhunderts, das nicht nur in ihren Schriften, sondern auch in ihrem persönlichen Le-. ben sichtbar wird.

Die Kommunistin der zwanziger Jahre flieht schließlich vor den NS-Schergen der dreißiger Jahre nach Mexiko, und danach schreibt sie — als ob nichts geschehen wäre — von starken Männern, nämlich von großen Einsamen, von jenen, die vergebens oder erfolgreich gegen ein Schicksal wüten, das es ihrer Meinung nach doch gar nicht gibt. Ihre Frauengestalten hingegen sind sanft, das sind milde Hüterinnen einer Kontinuität, die von den Männern ihrer Geschichten als Aberglaube abgetan wird.

Acht Texte der berühmten deutschen Erzählerin Netty Rei-ling (ihr wahrer Name), geschrieben zwischen 1927 und 1965, darunter die bekannte Kriegsgeschichte „Ausflug der toten Mädchen", sind nun in diesem Auswahlband zusammengefaßt. Und jede Erzählung, alten oder neueren Datums, läßt die leicht dahinfließende, die Grenzen von Zeit und Raum verschwindend machende Prosa Anna Seghers aufs neue genießen.

AUSGEWÄHLTE ERZAHLUNGEN. Von Anna Seghers. Luchterhand Verlag, Darmstadt 1983. 372 Seiten, geb., öS 195,-.

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