Ein banaler, wenn auch nicht alltäglicher Vorfall hat in einem italienischen Freundeskreis Anlaß zu einer angeregten politischen Diskussion geboten: Ein junger Amerikaner, für die Chronik David Francis aus Willams-port in Pennsylvanien, hatte bei einem Besuch des Kapitols das Schutzgitter überstiegen und sich dem Käfig der römischen Wölfin genähert, die dort, immerfort ruhelos auf und ab schreitend, ihrem Beruf nachgeht, lebendiges Symbol der Größe Roms zu sein. Der Amerikaner steckte die Hand in den Käfig, um das Tier zu kraulen, vielleicht aus Bravour, vielleicht, weil er allem Europäischen mit Unglauben gegenüberstand, auch der angeblichen Wildheit europäischer Tiere. Ohne sich über seine Beweggründe Gedanken zu machen, biß ihn die Wölfin kräftig in die Hand. Vor Schreck zurückspringend, stolperte David Francis, rollte eine steinerne Treppe hinab und erlitt einige weitere, glücklicherweise leichte Verletzungen.
Die Episode hat die italienischen
Gesprächspartner in die angenehmste Stimmung versetzt. Schadenfreude? Aber täglich liest man von hunderterlei Mißgeschick, das den lieben Nächsten trifft, ohne deswegen die angeblich reinste aller Freuden zu fühlen. Man war sich auch darüber einig, daß der Vorfall, hätte er. einen, jungen Italiener, Russen oder Feuerländer betroffen, alle gleichgültig gelassen hätte. Nun sind die Amerikaner, dem Test eines Meinungsforschungsinstituts zufolge, in Italien keineswegs unbeliebt, im Gegenteil. Aber das Wissen darum, daß man von ihnen nach dem Krieg so großmütig behandelt worden ist, daß man ihnen die materielle Existenz verdankt und die rasche Erholung als Nation, das sitzt wie ein nagender Wurm in der Seele des patriotisch empfindenden Italieners. Vergessen wir nicht, daß die Wölfin ein Symbol ist, die Verkörperung des nationalen Stolzes. Die Wölfin wollte sich nicht von einem dummen' amerikanischen Jungen hinter den Ohren kratzen lassen; sie hat zurückgebissen.
