7129936-1997_20_23.jpg
Digital In Arbeit

Der Duft der großen Welt

Werbung
Werbung
Werbung

Es gibt noch immer Menschen, denen geruchsmäßig der Sinn für den Duft der großen Welt fehlt. Sie wissen es nicht zu genießen, wenn sie an einem schwülen Sommernachmittag in einer vierspurigen Kolonne auf der Autobahn automobilistisch dahinschlendern. Eingetaucht in eine ätherische Wolke aus unterschiedlich vergasten Benzin- und Dieselmarken schwebt man da fast entrückt (manche sagen dazu auch betäubt) über den heißglühenden Asphalt.

Es ist wie der Sprung in die vierte Dimension. Aber wie gesagt, vielen fehlt für solche galaktische Erfahrungen die nötige Antenne. Auch ein Neuauto ist geruchsmäßig ein Hammer. Dieser jungfräuliche Duft, diese unberührte Direktheit in der aromatischen Ausstrahlung und diese Duftmischung aus Plastik, Schmiermittel und Polsterung, nein, was sind Räucherstäbchen dagegen. Dazwischen stellen sich leicht Entzugserscheinungen ein, die nur durch regelmäßige Werkstattbesuche etwas gemildert werden können.

So eine Autowerkstätte ist ja für den Kenner geruchsmäßig fast ein Sanatorium. Hier findet der einschlägige Fetischist schier alles, was seinen Ge-ruchspapillen schmeichelt. Altöldüfte genauso wie Neulackieraromen Auspuffwolken genauso wie Batterieausdünstungen und sauermilchgetränkte Polsterbezüge genauso wie rauchende

Gummireifen. Wer sich den Sinn für den Duft der großen Welt bewahrt hat, der ist in so einer Autowerkstätte goldrichtig. Hier kann er das atmen, was er in einsamen Bergregionen und auf straßenfernen Frühlingswiesen vergeblich sucht.

Leider gibt es noch immer geruchsmäßige Puristen, die sich von Veilchenduft und Maiglöckchen-odeur noch immer nicht emanzipiert haben. Sie werden halt in ihrer beschränkten biedermeierlichen Geruchswelt nie den Duft der großen Welt atmen. Das ist schade.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung