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DIE TEUFLISCHE FARBE

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. Hätte sich jemand im Mittelalter von der Sonne braun brennen lassen, so wäre das wohl als Schuldbekenntnis aufgefaßt worden, denn Braun war die Farbe des Bösen. Bei den Malern des Mittel alters war Braun das Zeichen für höllische Beziehungen, mindestens für Erniedrigung oder Selbsterniedrigung. In Indien war Braun die Farbe des bösen Schiwa, in Ägypten die des Typhon, der Personifizierung des Bösen. Dem guten Geist Osiris wurden braune Männer und braune Tiere geopfet. Die Schlange des Paradieses wurde braun dargestellt, Judas braun, Christus weiß, Gottvater golden.

Diese kunsthistorische Perspektive macht den Anblick der von Leibern besäten Wiesen noch komischer, auf denen man den modischen Teint zu erleiden pflegt. Freund und Feind lassen sich gemeinsam braten, bei Oberhitze. Alle fünfzehn Minuten wird das Steak gewendet, alle fünfundvierzig Minuten kalt abgeschreckt. Keimfreies, hellgrünes Wasser, elektrisch rasiertes Gras. Abends wird es gesprengt, wahrscheinlich mit After Sha-ving Lotion. Eine Oase sorgfältig denaturierter Natur, umbraust vom Verkehr; Kofferradios kämpfen gegen das Brausen an. Es riecht nach Schweiß, nach ranzigem Hautöl, süßem Parfüm, Zigarettenrauch. Fein hier: man ist nicht zu Hause und doch nicht an der frischen Luft. Einst pries man das Wiener Kaffeehaus aus dem gleichen Grund. Die Formen der Geselligkeit haben sich gewandelt Man reibt einander den Rücken ein. Wegen der teuflischen Farbe. Jeunesse brunee flaniert vorüber, die Burschen gepflegte Idiotie zur Schau stellend, die Mädchen schmollende Langeweile.

Ein großer Moment: Die Diva erhebt sich. Hundert Augen nehmen an diesem Levee teil. Die Accessoires für das Ruhen werden mit den Accessoires für das Schreiten vertauscht. Die Diva stöckelt hinüber zu ihrer Kabine, wo sie die Accessoires für das Schreiten mit denen für die Bewässerung vertauscht. Sie ist proportioniert, wie das Gesetz es befiehlt, und rundherum knusprig getönt, wie ihre Muhme, die Schlange. Die Dichter des Mittelalters wußten, warum sie sich die Frauen so weiß wie das Gefieder eines Schwanes oder wie den Pelz eines Hermelins wünschten.

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