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Kultur auf der Wäscheleine

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Wie lieblos und kulturlos hängen doch manche Hausfrauen oder Hausmänner die frischgewaschene Wäsche auf die Leine. Muß denn das sein? Könnte da nicht ein bißchen mehr Feingefühl und Geschmack aktiviert werden? Und könn -te nicht so ein einfaches Wäscheaufhängen zu einer Kunstperformance gestaltet werden, daß der Nachbar nur solche Augen macht? Es muß nicht sein, daß die Unterhose neben dem Geschirrtuch hängt, nein, mit ein bißchen gutem Willen läßt sich so ein wäschetrocknerischer Fauxpas vermeiden. Auch Nylonstrümpfe und Handtücher in unmittelbarer Nachbarschaft schlagen sich irgendwie. Von Bettüberzügen und Strumpfhaltern möchte ich da gar nicht reden.

Auch farblich wird auf solchen Trockenleinen einiges gesündigt, wie ich aus vielfachen Beobachtungen be-

stätigen kann. Rosa Handtücher mit giftgrünen Kluppen, da dreht es einem ja den Farbmagen um. Oder karierte Bluse neben blütenweißem Smokinghemd. Wer sich ein bißchen Geschmack bewahrt hat, spürt hier die Dissonanz. Auch was die Bichtung betrifft, gibt es haarsträubende Dinge: Hemden, die die Ärmel gegen den Himmel recken, Bademäntel, die wie geschlachtete Schweine an der Leine hängen. Bettüberzüge, die wie übergewichtige Sumoringer im Wind schaukeln. Und Unterwäsche, die in ihrer Hängerichtung jeglichen Liebreiz vermissen läßt.

Natürlich, ich weiß, das Wäschetrocknen ist ein ganz und gar zweckgebundener Vorgang, der oft in Hinterhöfen oder gar in muffigen Kellerräumen vor sich geht..Aber noch einmal, muß das sein?

Essen ist auch ein zweckgebundener Vorgang zur Befriedigung des Hungers. Und trotzdem befleißigt

sich der kulturbeflissene Mensch bestimmter Tischsitten, einer bestimmten Eßkultur bis hin zu Augartenporzellan und Silberbesteck.

Ich gehe ja nicht so weit, daß ich Designerkluppen und eine Designerleine fordere. Auch bin ich weit weg davon, einen Knigge für die Beihung der Wäschestücke auf Leinen zu fordern. Aber ein bißchen Kultur würde auch auf der Wäscheleine nicht schaden. Hausfrauen ebenso wie Hausmänner könnten somit ihrer oft verschmähten Hausarbeit eine kulturelle Dimension geben, die sogar an Aufwertung grenzt.

Wer weiß, ob sich nicht bis zur nächsten Kunstbiennale das Wäschetrocknen zur Kunstform entwickelt hat. Auch Christo hat mit seiner Verpackungskunst klein angefangen. Man muß nur einen Kulturauftrag in sich spüren, dann kann aus allem Kunst werden, sogar aus dem Wäschetrocknen.

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