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Märchenfiguren verbrüdern sich

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In der Märchenwelt gibt es unzählige private Figuren und nur wenige politische. Ihre volle Wirksamkeit entfalten sie erst als Legenden. Till Eulenspiegel ist im deutschen Sprachaum ihr Prototyp, Hod-scha Nasreddin im islamischen. Ihre Geschichten leben noch und werden weiter fortgesponnen; die mündliche Tradition hat nie aufgehört, auch wenn sie schriftlich festgehalten wird.

Beispielsweise bei Folke Tegetthoff, dem steirischen Märchenerzähler. Till und Hodscha sind bei ihm schon früher vorgekommen, in seinem jüngsten Buch „Schelmenmärchen” sind sie nun ganz unter sich. Sie treten in „siebenmalsieben” Geschichten abwechselnd einzeln und gemeinsam auf. Die Hodscha-Ge-schichten sind Nacherzählungen, die Tillgeschichten echte Tegetthoffs. Auf klassische Manier wird der Gesellschaft der Spiegel vorgehalten: Neid, Geiz, Gier, Eitelkeit werden entlarvt. Das veraltet nie. Dazu kommen aktuelle Themen, wie in der schönen Geschichte „Hodscha und die Zauberkugel” die Volksverdummung durch das Fernsehen. Märchenerzählen contra Fernsehen, als Rat des Narren! Und wenn sich zwei Narren interkulturell treffen, schaut man natürlich genau hin, was sie treiben. Als erstes führen sie ihre Austauschbarkeit vor, einer macht sich am Ort des anderen sogleich genauso unbeliebt wie zuhause. Privat verstehen sie sich gut: Als Typen einander längst vertraut, streiten sie ein bißchen, nehmen sich gegenseitig hoch und haben beide „so ihre Probleme mit Frauen”.

Zu gemeinsamen Streichen kommt es leider nicht: Kein Hacken im Internet, kein Handy-Unfug, kein globaler Schabernack. Das Moderne braucht, scheint's, seine Zeit, bis es im

Märchen seine Sprache findet.

Tegetthoffs Requisiten sind diesmal sparsam, die meisten Geschichten abgemagert bis auf die tragende Konstruktion, oft nur ausgerichtet auf die Pointe hin. Das steigert natürlich die Erwartungen an Bündigkeit und Zielschärfe. Aber ein Autor wie Tegetthoff hat großen Kredit bei seinem Publikum. Schließllich ist auch ein Till nicht immer gleich in Form.

In sein neues Buch hat übrigens Till die drei besten Geschichten aus einem früheren wortgleich übernommen. Hodscha rechnet ihm das vor. Till: „Meinst du, die Leser merken das?” Hodscha: „Die schlechten nicht, die guten sicher. Welche wünschst du dir?” Till schweigt dazu, klug wie er ist.

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