Verona hat die Sängerflaute der vergangenen Jahre überwunden: Placido Domingo ist seit heuer Aushängeschild und Zugpferd der Opernfestspiele in der Arena: 1995 wird er Verdis „Otello” singen und selbst die neue „Aida” dirigieren, schon heuer triumphierte er als Ruggiero Leonca-vallos „Bajazzo”. Eine aufregende Bühnenpersönlichkeit, ein faszinierender Canio: Bei so exzessivem Spiel vergißt man einfach auf das eine oder andere Stimmproblem. Umso mehr, als auch Cecilia Gasdia eine hinreißend schön singende Nedda ist - auch wenn sie als peitschenschwingende Domina im Nina-Hagen-Look über die Bühne tigern muß - und Leo Nucci ein kraftstrotzender Tonio.
Für modischen Regiefirlefanz sorgen Giovanni Agostini und Gabriele Lavia: Ihr „Bajazzo” spielt vor einer Guckkastenbühne und einem riesigen roten Vorhang, der sich im Wind bläht; Mascagnis „Cavalleria rustica-na”, das zweite Werk des Abends, setzten sie in ein Grottenbahn-Sizilien mit Felswüste und Bauzäunen. Ghena Dimitrowa, Christian Johanns-son und Paolo Gavanelli sorgen für ein aufwühlendes Rachedrama. Yuri Ahronovitch betreut die beiden Einakter mit knalliger Begleitung.
Pech dann mit Regisseur Antoine Bourseillier, Ausstatter Rinaldo Oli-vieri und dem Dirigenten Vjekoslav Sute bei „Carmen”. Die Produktion münzt Bizets Oper zur oberflächlichen Fünfziger-Jahre Show um. Ein Spiel der Leidenschaften, das in einem maurischen Palasthof beginnt, zeitweise zurOldtimer-Parade ausartet, statt Lillas Pastias Schenkenbetrieb ein nächtliches Picknick beschert und so weiter. Das mutwillig-unoriginelle Allerweltstheater provozierte lautstarke Proteste der Zuschauer. Umso mehr, als auch die Besetzung mit Giovanna Casolla eine Carmen ohne verführerischen Zauber beschert, mit Neil Shicoff einen intellektuellen, eher gelangweilten Don Jose mit Nickelbrille und mit Giorgio Zanca-naro einen Schickimicki-Escamillo ohne Temperament.
