Sparprogramm in Verona: Wiederaufnahmen statt Premieren

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Die Arena in Verona hat sich verschuldet und kann sich keine Neuinszenierungen leisten. Aber selbst die Wiederaufnahme von Bizets „Carmen“ konnte nicht restlos überzeugen.

Auch Verona muss sparen: Wegen extrem hoher Überschuldung zeigt man dieses Jahr keine Neuproduktion, sondern lediglich Wiederaufnahmen. Leider spielte der Wettergott nicht mit und schlug gleich am Eröffnungswochenende bei Georges Bizets „Carmen“ erbarmungslos zu. Als gleich nach Beginn des zweiten Aktes in der Arena ein gewaltiger, nicht enden wollender Regen niederprasselte, führte dies zum Abbruch der Aufführung.

Und dabei hätte man das populäre Werk gerne komplett unter dem mit Spannung erwarteten Dirigat von Plácido Domingo erlebt. Denn dem Startenor ist heuer wegen seines Debüts genau vor 40 Jahren – er sang erstmalig 1969 hier als junger Sänger den Kalaf – ein Schwerpunkt gewidmet, der von einer großen Gala am 24. Juli gekrönt wird.

So sehr man den Tenorissimo in seinen vielen Rollen bewundert und seine beispiellose Weltkarriere nicht genug schätzen kann: Der Dirigent kommt an den Sänger nicht heran. Mit seinen für die riesigen Dimensionen der Arena sehr klein gehaltenen Gesten gelang es ihm nicht immer, Bühne und Graben zusammenzuhalten und die notwendige Spannung zu erzeugen.

Dafür erlebte man mit Nancy Fabiola Herrera eine temperamentvolle Carmen mit großer erotischer Ausstrahlung. Mit Marco Berti einen darstellerisch recht statischen, stimmlich nicht ganz sauberen Don José, der sich hauptsächlich auf seine hohen Töne konzentrierte, und mit Irina Lungu eine schönstimmige, aber etwas blasse Micaela.

Franco Zeffirellis aus dem Jahr 1995 stammende Inszenierung und Ausstattung trifft genau den Publikumsgeschmack: ein naturalistisches Sevilla mit vielen Häuschen, bunten Kostümen, Pferden, Eseln und viel Bewegung bei den Massenszenen.

Unverregnet sah man tags darauf Obelisken mit Hieroglyphen, bunt bemalte Säulen, sphinxartige Figuren, Palmen, Pferde, Menschenmassen wie Fackelträger und Trompeter in historisierten, prächtigen Gewändern, stimmungsvolles Licht und viel offenes Feuer: Wie schon von 1982 bis 1998 hat man auch dieses Jahr wieder die rekonstruierte Veroneser Ur-„Aida“ von Giuseppe Verdi aus dem Jahr 1913 hervorgekramt. Gianfranco de Bosio zog unter totaler Ausnützung der Riesenbühne des römischem Amphitheaters samt Stufen besonders während des Triumphmarsches alle Register und zeigte all das, was das Publikum hier sehen will.

Als Titelheldin bestach Daniela Dessì mit innigen Lyrismen, aber auch dramatischen Attacken. Fabio Armiliato war ein lyrischer Radames mit tollen Spitzentönen, Ambrogio Maestri ein stimmgewaltiger Amonasro. Tichina Vaughn sang die Amneris mit ausladendem Vibrato, Giorgio Surian den Ramfis verlässlich, Carlo Striuli den König angestrengt.

Ganz anders diesmal das Dirigat: Arena-Profi Daniel Oren erzeugte mit riesiger Gestik und hohen Sprüngen Leidenschaft und Dynamik im Orchester und Chor.

Nächstes Jahr ist übrigens wieder eine Neuproduktion geplant: Im Rahmen eines Franco Zeffirelli gewidmeten Schwerpunktes wird der Altmeister Giacomo Puccinis „Turandot“ neu inszenieren und ausstatten. (Helmut Chr. Mayer)

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