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Sanger, Priester, Pharaonen

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Edouard Mariette, dem Entdecker des Serapis-Tempels und der Apis-Gräber, war bei seinen archäologischen Arbeiten eine Geschichte eingefallen, die er als Privatdruck erscheinen ließ. Ismail Pascha, ein Bewunderer der europäischen Opernkunst, beauftragte den neuen Direktor der Opera comique, Du Locle, daraus ein Libretto zu machen und dieses Verdi, Gounod oder Wagner zur Kompositon anzubieten. Das Werk sollte 1869 in der neugegründeten italienischen Oper in Kairo im Rahmen der Feierlichkeiten anläßlich der Fertigstellung des Suezkanals aufgeführt werden. Verdi nahm den Auftrag an, versicherte sich der Mitarbeit Antonio Ghislanzonis für das italienische Libretto — und stellte seine Bedingungen: Termin Jänner 1871, Mitspracherecht in allen Fragen der Ausstattung und Besetzung — sowie die Uberweisung des Betrages von 150.000 Franc auf sein Pariser Konto beim Bankhaus Rothschild.

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Edouard Mariette, dem Entdecker des Serapis-Tempels und der Apis-Gräber, war bei seinen archäologischen Arbeiten eine Geschichte eingefallen, die er als Privatdruck erscheinen ließ. Ismail Pascha, ein Bewunderer der europäischen Opernkunst, beauftragte den neuen Direktor der Opera comique, Du Locle, daraus ein Libretto zu machen und dieses Verdi, Gounod oder Wagner zur Kompositon anzubieten. Das Werk sollte 1869 in der neugegründeten italienischen Oper in Kairo im Rahmen der Feierlichkeiten anläßlich der Fertigstellung des Suezkanals aufgeführt werden. Verdi nahm den Auftrag an, versicherte sich der Mitarbeit Antonio Ghislanzonis für das italienische Libretto — und stellte seine Bedingungen: Termin Jänner 1871, Mitspracherecht in allen Fragen der Ausstattung und Besetzung — sowie die Uberweisung des Betrages von 150.000 Franc auf sein Pariser Konto beim Bankhaus Rothschild.

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Verdi konnte es sich leisten, eine solche Summe zu fordern und einen festen Termin einzugehen: „Aida" war sein 24. Bühnenwerk, und er stand auf der Höhe der Meisterschaft. Innerhalb von knapp vier Monaten beendete der Sechsundfünf-zigjährige die Komposition. Drei französische Maler machten sich unter Mariettes Aufsicht an die Dekorationen, und bereits 1870 bestellte Verdi bei einer Mailänder Firma sechs gerade, lange Trompeten von altägyptischer Form, die bei der Uraufführung in Kairo am 24. Dezember 1871 von ägyptischen Soldaten in malerischen Uniformen geblasen wurden.

Die Qualitäten dieser Musik sind ebenso bekannt, wie der Siegeszug der „Aida" über die Opernbühnen der gesamten zivilisierten Welt. Verdi sah sein Werk erst im Frühjahr 1872 in Mailand (inzwischen hatte der deutsch-französische Krieg stattgefunden und die Dekorationen waren in Paris blockiert). In Wien wurde „Aida" 1874 zum erstenmal gespielt, und im Jahr darauf hat Verdi persönlich zwei Aufführungen dirigiert.

„Aida" war überall, wo man es sich leisten konnte, Gegenstand von Prunkinszenierungen, und nicht umsonst zählt sie zu den Standardwerken von Verona. Die letzte Wiener Inszenierung fand im Rahmen des Opernfestes im November 1955 statt und wurde gleich damals als wenig glücklich empfunden. Sie ist mit den Jahren (wie man sich zuletzt im Juni 1972 überzeugen konnte) nicht besser geworden. Eine Neuinszenierung stand, sozusagsn, ins Haus.

Sie wurde Nathaniel Merrill, dem Oberspielleiter der Met, anvertraut, und man wird seine Arbeit nur dann gutheißen, wenn man das Aufwendig-Bunte, das Abstruse, als Gesamtstil dieser Oper gelten läßt.

Günther Schneider-Siemssen sind wieder einige recht effektvolle Bühnenbilder gelungen, von denen sich das mit den beiden riesigen Pharaonenstatuen besonders auszeichnet. Auch die vier gewaltigen goldbraunen Säulen, die die ersten Szenen einrahmen, sind eindrucksvoll, ebenso die Nilszenen und die Wüstennacht mit aufgehendem Vollmond über dem Grab der Liebenden. Leo Bei hat hunderte originelle Kostüme entworfen, darunter viele von aparter exotischer Schönheit, andere gerieten allzu bunt. Und „Idole", ^vie sie von Priestern und Soldaten hereingetragen werden, dürfen sich nicht bewegen! Das ist Kabarett. Ob man aber etwas Unpassendes in einer Inszenierung gleich mit lautem Lachen quittieren soll — das ist eine andere Frage. Hätten die jungen Leute, die alles so gut wissen, die Berliner Aida-Inszenierung von Wieland Wagner gesehen, sie hätten sich krankgelacht — und wir wären sie für einige Zeit los.

Denn von den jugendlichen Protestierern muß nun gleich die Rede sein, da dieser Abend, der ein festlicher hätte werden können, fast ununterbrochen durch die frechsten und unanständigsten Reaktionen aus dem Stehparterre und von der Galerie gestört wurde. Das bedeutet für die Sänger eine solche nervliche Belastung, daß es überhaupt ein Wunder ist, daß sie durchhielten — zumal vielleicht auch ihnen, wie Eingeweihten im Zuschauerraum, noch vor Beginn der Aufführung bekannt war, daß die beiden Hauptrollenträgerinnen ausgepfiffen werden sollten.

In Wirklichkeit ließen weder Gwy-neth Jones als Aida noch die Rumänin Viorica Corte, als Amneris viele Wünsche offen. G- bärtig, das übrige Ensemble stimmlich überragend: der Spanier Placido Domingo als Radames. Vom Pech verfolgt war Eugen Holms, der ehemalige Mittelschullehrer aus den USA und jetzt in Düsseldorf tätig, als Amonasro. Figürlich und stimmlich imposant: Tugo-mir Fran-,> als König und Bonaldo Giaiotti als Oberpriester. Ein wunderschöner Sopran: die Libanesin Sana Ghazarian als Priesterin. Todd Bolender als Choreograph kam ohne peinliche Exotismen aus und hatte ein besonders schön kostümiertes Corps zur Verfügung. Hervorzuheben: Judith Gerber und Günther Falusy. — Einen zwiespältigen Eindruck hinterließ der ehemalige Pianist und derzeitige Kapellmeister des Stadttheaters von Florenz Riccardo Muti. An Lebhaftigkeit ließ er es nicht fehlen, dafür aber da und dort an Akuratesse, vor allem aber an Ruhe, wodurch den Sängern manche Passage schwer gemacht wurde.

Es hätte, wie gesagt, trotz aller Einschränkungen ein pompöser Abend werden können, wenn nicht... Doch davon handelt auch eine unserer Glossen.

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