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Spaß mit Talmirevuen

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Mit drei aufwendigen Neuinszenierungen von „La Traviata“, „Carmen“ und Puccinis „Manon Lescaut“ feiert Verona heuer sein populäres Opernfestival in der Arena. Es ist nach wie vor Italiens Spitzenfest, an dem sich — wie eh und je — alle Gesellschaftsschichten mit Enthusiasmus, ja geradezu fanatisiert, beteiligen. Mini, Midi und Maxi sind neben dem konventionellen Abendkleid der Damen zu sehen, supermodische Spitzen- und Stickereihemden und Touristenleibchen neben dem weiften Smoking der Herren. Jeder feiert das Fest auf seine Art. Hauptsache, man ist dabei. Das allein zählt. Und wenn man auch überall die Oper totsagt, so bedarf es In Verona keiner Anstrengung, den Gegenbeweis anzutreten: Da ist Oper ein Volksereignis, das allabendlich von rund 20.000 mit Hingabe ausgekostet wird.

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Mit drei aufwendigen Neuinszenierungen von „La Traviata“, „Carmen“ und Puccinis „Manon Lescaut“ feiert Verona heuer sein populäres Opernfestival in der Arena. Es ist nach wie vor Italiens Spitzenfest, an dem sich — wie eh und je — alle Gesellschaftsschichten mit Enthusiasmus, ja geradezu fanatisiert, beteiligen. Mini, Midi und Maxi sind neben dem konventionellen Abendkleid der Damen zu sehen, supermodische Spitzen- und Stickereihemden und Touristenleibchen neben dem weiften Smoking der Herren. Jeder feiert das Fest auf seine Art. Hauptsache, man ist dabei. Das allein zählt. Und wenn man auch überall die Oper totsagt, so bedarf es In Verona keiner Anstrengung, den Gegenbeweis anzutreten: Da ist Oper ein Volksereignis, das allabendlich von rund 20.000 mit Hingabe ausgekostet wird.

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Regisseure mit prominenten Namen wie Luca Ronconi („Carmen“), einer der eigenwilligsten jungen Avantgardisten Italiens, der durch seinen „Orlando furioso“ bekannt wurde, Mauro Bolognini („Traviata“) und Nathaniel Merrill („Manon Lescaut“) werden da bloß als Alibi engagiert. Denn neues Operntheater wie Theaterreformen sind nicht Sache, geschweige denn Herzensangelegenheit der Veroneser. Ein seltsames Phänomen: selbst „progressive' Regisseure — wie etwa im Vorjahr Luciano Damiani und diesmal Ronconi — vergessen in der Arena partout all ihre Prinzipien, alle Lust, das Publikum zu schockieren, alles Flair für gewagte Effekte, fürs Bizarre, Phantastische, Absurde, für Tiefenpsychologie oder was sie sonst an Regieprinzipien auf ihre Fahnen geschrieben haben. Das Resultat: Oper, wie sie um 1900 blühte. Alle Inszenierungen — zwei davon stattete Veronas Hausbühnenbildner Pier Luigri Pizzi aus, nur „Manon“ wurde von Nicola Benois gestaltet — sind vom gleichen Zug zur Superdimension, zur Monstershow geprägt.

Intimität ist nirgends erwünscht: Üppiger Pomp, das Triumphale, die Freude am Historisieren machen sich breit. Es sind fast schon aufdringliche Szenerien, vollgerammelt mit kitschigen Aufbauten, Riesenversatzstücken, Talmirequisiten; das Bühnenbild ist stellenweise so überwertet, dominiert so sehr, daß das szenische Ereignis an den Rand rückt. Optik geht eben über alles ... Dennoch ist Verona in erster Linie ein Sängerfest der großen Namen: mit Renata Scotto als Violetta und Carlo Bergonzi als Germont — wir haben schon lang kein provinzielleres Liebespaar erlebt —, mit Grace Bumbry (alternierend mit Mignon

Dunn und Adriana Lazzarini) als Carmen und Franco Corelli als Don Jose, mit Magda Olivero (alternierend mit Raina Kabaivanska) und Placido Domingo als Des Grieux ... Alle Festaufzüge mit Pferden, Eseln, wahrscheinlich auch mit Elefanten, wenn's not täte, alle Massenstatisterie können dieses Aufgebot der schönen Stimmen nicht wettmachen. Und anderseits kann die Regie gar nicht so sehr danebengehen, als daß das Publikum nicht allein schon wegen der Arien- und Koloraturenkünste allabendlich tobte.

Dirigenten sind diesmal Eliahu Inbal, der zu Traviata kaum nennenswerte Beziehungen pflegt, Olivero de Fabritiis, ein unwirscher älterer Herr, dem das Veroneser Zirkustheater und Carmen überhaupt auf die Nerven fallen, und Nello Santi: Dieser weiß, wie man das Arenaorchester anpacken und anspornen muß, wie man das Riesenensemble in Schwung bringt und in Spannung hält. Seine „Manon“ war unleugbar in jeder Hinsicht die am besten ausgewogene Aufführung und als einzige auch in musikalischer Hinsicht mitreißend.

Carmen feiert übrigens diesmal einen Rekord: Sie wurde bisher in sechs Sommerstagionen 38mal aufgeführt und zählt nach „Aida“ zu den beliebtesten Arenaopern. Das heißt, so schlecht kann sie gar nicht inszeniert sein, daß die 20.000 nicht ihren Spaß dran hätten.

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