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„Auf der Schreibmaschine abgeschrieben“

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Der bekannte tschechische Schriftsteller Ota Filip hat im Jidi die CSSR verlassen und lebt heute in München. Nach 1968 saß er mehr als ein Jahr wegen regimefeindlicher Tätigkeit im Gefängnis. Publizieren konnte er in seiner Heimat nicht mehr, er mußte als Möbelmonteur arbeiten. Im deutschsprachigen Raum wurde der aus Mährisch-Ostrau stammende Autor bekannt durch seine Romane „Das Café an der Straße zum Friedhof“, „Ein Narr für jede Stadt“ und „Himmelfahrt des Lojzek Lapäcek“.

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Der bekannte tschechische Schriftsteller Ota Filip hat im Jidi die CSSR verlassen und lebt heute in München. Nach 1968 saß er mehr als ein Jahr wegen regimefeindlicher Tätigkeit im Gefängnis. Publizieren konnte er in seiner Heimat nicht mehr, er mußte als Möbelmonteur arbeiten. Im deutschsprachigen Raum wurde der aus Mährisch-Ostrau stammende Autor bekannt durch seine Romane „Das Café an der Straße zum Friedhof“, „Ein Narr für jede Stadt“ und „Himmelfahrt des Lojzek Lapäcek“.

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FURCHE: Haben Sie vieles zurücklassen müssen in der Heimat? Werden Sie den Kontakt zu Ihren Freunden aufrechterhalten können?

FILIP: Diesen Kontakt möchte ich nicht strapazieren. Jeder Brief könnte meinen Freunden Böses bringen. Also schreibe ich nur meiner Mutter und dem Vater meiner Frau ausführlicher. Meinen Freunden schicke ich Ansichtskarten, Weihnachtswün- sohe…

FURCHE: Sie spielen offenbar auf die strenge Briefzensur in der CSSR an. Welchen Restriktionen unterliegt ein Schriftsteller, der nicht mit dem Regime sympathisiert?

FILIP; Er muß damit rechnen, daß er überwacht wird, und diese Kontrolle ist perfekt. Auch seine Gespräche zu Hause bleiben nicht immer geheim. Was ich meiner Frau oder meinen Freunden sagen wollte, habe ich lieber auf Zettel geschrieben.

FURCHE: Es werden Mikrophone in die Wohnungen der Intellektuellen eingebaut?

FILIP: Ob ich so ein Mikrophon hatte, kann ich nicht mit Bestimmtheit sagen. Aber der Fall von Vaclav Havel ist ja bekannt. Mit der Zelt gewöhnt man sich daran. Die Anpassungsfähigkeit des Menschen spielt eine große Rolle. Man sucht einen Ausweg, man stellt fest, daß man doch eigentlich gar nichts Illegales tut. Die perfekteste Kontrolle kann einem also nichts anhaben. Dennoch entsteht die Gefahr, daß man mich und meine Freunde in eine Situation hineindrängt, in der wir uns selbst oder gegenseitig beschuldigen.

FURCHE: Werden Sie nach

Prag zurückwirken, etwa mittels tschechischsprachiger Sender?

FILIP: Das möchte ich ausnützen. Ich muß aber betonen, daß ich von hier aus nicht als politischer Agitator auftreten werde. Zu meinen Landsleuten möchte ich über Probjeme der Literatur, des Denkens sprechen.

FURCHE: Indirekt kritisieren Sie als Lud¿k Pachman?

FILIP: Ich werde mich nicht in die Position eines Paohmann drängen oder drängen lassen. Hier ist man frei. Und ich will die Freiheit nach meinen Vorstellungen genießen und verwirklichen. Ohne mich manipulieren zu lassen.

FURCHE: Wie ist der Kreislauf der tschechischen Literatur heute? Gibt es ein Überleben nach sechs Jahren Okkupation?

FILIP: Das will ich hoffen. Ich bin aber pessimistisch. Die Kom- munikationsimöglichkeiten sind äußerst beschränkt. Unsere Bücher kommen in unserem „Verlag“ in 30 oder 40 Exemplaren heraus, sie werden auf der Schreibmaschine abgeschrieben. Die Weiterverbreitung ist gering.

‘FURCHE: Was passiert, wenn sich die Staatssicherheit in diesen relativ engen Kreis einmischt? Sagen wir durch Spitzel…

FILIP: So ein Spitzel könnte nicht viel herausflnden. Wir haben ja diese Situation nicht geschaffen. Alles, was wir machen, geschieht ganz offen, aus dem Gefühl heraus, daß wir freie Menschen sind und daß wir die Gesetze nicht verletzen.

FURCHE: Welche Autoren zirkulieren in den samisdatähnlichen Schriften?

FILIP: Es sind etwa 15 Namen, die bekanntesten sind Ludvik Vaculik, Pavel Kohout, Ivan Klima, Jifi Sotola, Ivan Krii, Bohumil Hrabal.

Mit Ota Filip sprach Andreas W. Mytze.

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