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Avantgarde-Kultur ohne Krawatte

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Kürzlich wurde sie vorgestellt, die WUK-Kulturstudie. Inhalt: Wer geht warum ins WUK - und wie fühlt er sich dabei.

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Kürzlich wurde sie vorgestellt, die WUK-Kulturstudie. Inhalt: Wer geht warum ins WUK - und wie fühlt er sich dabei.

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Sind Sie männlich, zwischen 26 und 30 Jahre alt und wohnhaft in Wien?

Haben Sie Matura- oder Fachschulabschluß, einen Studentenausweis und ein monatliches Nettoeinkommen zwischen 3.000 und 6.000 Schilling?

Keine Sorge, wenn diese Beschreibung auf Sie zutrifft, steht Ihnen nichts Böses bevor. Sie entsprächen dann nur dem typischen Veranstaltungsbesucher im Wiener Werkstätten- und Kulturzentrum, kurz WUK.

Übrigens: auch wenn keine der oben genannten Eigenschaften auf Sie zutrifft, stehen Ihnen die Türen des WUK offen. Was ein richtig alternatives Kulturzentrum ist, läßt sich auch von einer Krawatte, nicht in Angst und Schrecken versetzen.

Experimentell innovativ

Spaß beiseite, die Kulturstudie hat neben vielen Zahlen vor allem eines ergeben, nämlich daß das WUK kein Haufen Chaoten ist, sondern ein emsthaft arbeitendes Kulturprojekt der anderen Art. Und ein zukunftsweisendes.

Das bringt auch Franz-Otto Hofek-ker vom Institut für kulturelles Management (IKM) zum Ausdruck. Sein Institut hat bei der Erstellung der Studie mitgewirkt, und Hofecker beschreibt im Vorwort zur Untersuchung das WUK „als wichtigste, geradezu prototypische Institution für eine mittlerweile völlig gewandelte heimische Kulturszene. Wichtig, exemplarisch, richtungsweisend, Grundentwicklungen vorgebend, wegen der Größe des WUK-Projektes, wegen der Dauer und Konsequenz des WUK-Projektes und aller dafür Verantwortlichen."

Exemplarisch -das kann schon sein,

aber Einzelfall ist es längst keiner mehr, das WUK mit seiner alternativen Kulturarbeit. Mittlerweile gibt es in ganz Österreich zahlreiche Projekte, die sich an ähnlichen Richtlinien wie das WUK orientieren.

Hofecker findet für die Gesamtheit dieser neuen Kulturszene lobende Worte: diese Initiativen„hätten in ihrer Zahl und ihren Aktivitäten während der letzten Jahre nicht nur rein äußerlich ein überproportionales Wachstum, sondern auch einen deutlich merkbaren Trend zu höherer Professionalität in Angebot, Führung, ihrem Auftreten und ihren Ansprüchen."

„Kultur für alle"

Die alternativen Kulturprojekte sind für Hofecker Anzeichen für einen Paradigmenwechsel, der in der Kulturpolitik in den letzten zwei Jahrzehnten stattgefunden habe hin zu einer „Kultur für alle" und - weiter noch - schließlich zu einer „Kultur von allen".

Worum geht es nun eigentlich in der Studie, was genau ist denn untersucht worden?

Herausgearbeitet wurde vor allem, wen es denn nun wirklich ins WUK zieht, sei es nur als Veranstaltungsbesucher, sei es als Mitglied einer der vielen dort ansässigen Gruppen.

Als zweites wurde das Image des WUK beziehungsweise von dessen Veranstaltungen bei diesen Personen erfragt. Und - gleich vorweggenommen - das ist eindeutig positiv. Zwar sind die Gruppenmitglieder, die den Betrieb von innen her kennen, in ihrem Urteil etwas strenger, aber sie bestätigen ebenso wie die Veranstaltungsbesucher, daß das WUK seine Qualitäten hat. Es sei kommunikativer Ort, ein künstlerischer Ort, in dem eine sympathische Atmosphäre herrsche, meinte die Mehrheit der Befragten.

Die Besucher attestieren dem WUK auch mehrheitlich gesellschaftspolitisches Engagement und halten es für

dynamisch-kreativ. Bei den Gruppenmitgliedern sieht das nur etwa die Hälfte so. In einem aber sind sich alle einig: übersichtlich ist das WUK nicht. Ähnlich sehen auch die Einschätzungen bei den einzelnen Veranstaltungen aus: sie werden durchwegs als experimentell und innovativ eingeschätzt, an der Organisation und an der künstlerischen Professionalität wird allerdings Kritik geübt.

Die Diskrepanz in der Einschätzung, also daß das WUK vom außenstehenden Publikum positiver bewertet wird als von den Aktiven im Haus, erklärt sich Richard Schweitzer, einer der Koordinatoren der Studie so: die WUK-Gruppenmitglieder stellen höhere Ansprüche, etwa an das gesellschaftspolitische Engagement. Da werde dann oft auch ein strengeres Urteil gefällt.

Nicht reich, aber arbeitsreich

Eine besondere Leistung der WUK-Kulturstudie besteht darin, daß sie Vorurteilen den Besuchern beziehungsweise Künstlern gegenüber in einer wichtigen Hinsicht den Boden entzieht: es sind keine Arbeitslosen und Sozialschmarotzer, die sich dort tummeln. Die weitaus größte Mehrheit ist in Ausbildung oder erwerbstätig, darunter naturgemäß nicht wenige Freiberufler.

Reich sind allerdings weder die Gruppenmitglieder (die meisten von ihnen verdienen monatlich zwölftausend Schilling oder weniger) noch die Besucher. Mit alternativer Kultur läßt sich offenbar bei uns nicht das große Geld machen.

Alternativ waren auch die Umstände, unter denen die Befragungen durchgeführt wurden. So wurden etwa bei Konzerten oder Festen die Interviews während der Veranstaltungen durchgeführt. Was natürlich nicht immer auf Verständnis stieß; welcher Musikfreund läßt sich schon gern beim Genuß einer fetzigen Rocknummer stören?

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