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Binde als Alibi

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(Volkstheater, Wien; „Juristen" von Rolf Hochhuth). Sein eiferndes Moralisieren geht vielen auf die Nerven. Mir nicht, denn daß die NS-Massenmörder in der Richterrobe allesamt ungeschoren blieben, ist so ungeheuerlich, daß es nach einer Aiiklage mit den Mitteln des Theaters schreit.

Man hätte darüber sicher ein besseres Stück schreiben können, doch niemand hat es getan. Wenn jedes Publikum das Theater hat, das es verdient, haben wir uns eben Hochhuths Spröde verdient. Derm auch in Österreich hat nach 1945 keine Juristenkrähe der anderen ein Auge ausgehackt. Justi-tia machte ihre Augenbinde zum AUbi.

Die Vermanschung dieser Anklage mit den Fällen Moro und Schleyer ist allerdings ein Kopplungsverkauf von Hochhuth-Meinungen.

Damit, daß Regisseur Dietmar Pflegerl den Schluß änderte, hat er meiner Ansicht dem Stück nicht geschadet: Wenn die Tochter eines Blutrichters wegen dessen Untaten ihr Kind abtreiben will, stärkt das nicht unbedingt das Vertrauen in Denken und Fühlen der ohnehin etwas blassen Kunstfigur. (Johanna Mer-tinz spielt an der Grenze von Verhaltenheit und Blässe.) Aber der Ersatz-Schluß hängt nim leider etwas in der Luft.

Bei den Kürzungen sclinitt die Regie viel zu tief ins Fleisch, und das Bühnenbild (Hans Hoffer) ist modischer Unfug. Völlig rollendeckend Ernst Meister als Mörder, der Politiker wurde, beklemmend echt Adolf Lukan als zeitloser, glatt funktionierender Büttel. Stück-Lektüre vor dem Theaterbesuch wird empfohlen.

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