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Brief an das Finanzamt

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Sehr geehrte Damen und Herren! Sie haben ' meine Steuererklärung nicht anerkannt und ein wesentlich höheres Einkommen errechnet als es den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht. Mit unhaltbaren Argumenten, wie ich im folgenden darlegen werde. Darüber hinaus haben Sie mir außerdem noch eine Finanzstrafe wegen Ab-ga benhinterziehung vorgeschrieben.

Das finde ich schlicht und einfach empörend! Wie Ihnen Ihr ehemaliger Chef, der derzeitige Bundeskanzler, gerne bestätigen wird, ist es durchaus üblich, eine von Ihrem geschätzten Amt abweichende Rechtsauffassung bezüglich der Deklarie-rungspflicht von Aufwandsentschädigungen zu haben!

Aber zu den Fakten: Es ist mir völlig unerklärlich, wieso Sie meinen Repräsentationsaufwand für das abgelaufene Jahr in der Höhe von 150.000 Schilling nicht als Werbungskosten anerkennen, weil er angeblich nicht belegt ist. Ich habe Ihnen doch meinen Terminkalender als Beilage geschickt! Wie Ihnen Herr Vizebürgermeister Hans Mayr jederzeit gerne bestätigen wird, kann man aus einem penibel geführten Ter-* minkalender mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ablesen, daß der angeführte Aufwand auch tatsächlich getätigt wurde. Und wenn es einem Ex-Juso möglich ist, rund zwei Millionen Schilling für derlei Zwecke auszugeben, werden Sie doch hoffentlich mir als deklariertem Kapitalisten, der immer schon davon überzeugt war, daß Leistung ihren Preis hat, zutrauen, daß er 150.000 Schilling in gutbürgerlichen Lokalen mit Informanten verputzt!

Der Umstand, daß ich von meiner Zeitung das Aufwandspauschale

Umal pro Jahr erhalten habe, mag bei oberflächlicher Betrachtung vielleicht den Verdacht nahelegen, daß es sich um eine verdeckte, steuerschonende Gehaltsaufbesserung handelt. Daß das aber eine nicht zutreffende Betrachtungsweise ist, wird Ihnen Günther Sallaberger, mit dem Sie wahrscheinlich jetzt ohnehin in engerem Kontakt sind, gerne erklären.

Unerklärlich ist für mich auch, warum Sie meine monatlichen Zahlungen an Chefredakteur Sch. nicht, die Parteisteuer politischer Mandatare aber sehr wohl, als Werbungskosten steuermindernd anerkennen. Werden doch in beiden Fällen die Zahlungen dafür geleistet, daß man den gutbezahlten Job bekommen hat, wovon doch schließlich auch Ihr geschätztes Amt profitiert!

Mit freundlichen Grüßen verbleibt

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