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„Brutale Zurückhaltung“

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Als ersten Band einer „Literarischen Reihe“ brachte der junge Salzburger „Verlag Alfred Winter“ den Roman „Morgen“ von Walter Kap-pacher heraus. Im Sommer soll die Reihe mit einem Roman von Peter Coreth und im Herbst mit Hörspielen von Martin Walser fortgesetzt werden.

Walter Kappacher, 36 Jahre alt, gebürtiger Salzburger und unverheiratet, zählt seine Berufe folgendermaßen auf:.....mit 14 für sieben

Jahre in eine Autowerkstatt, dann Schauspielschüler, Milchmann, Landarbeiter, Versicherungsangestellter, Reisebürokaufmann.“ Letzteren Beruf übt er noch heute aus, da er vom Schreiben allein nicht leben will und kann.

Aus dem Drang heraus, sich auszudrücken, begann Kappacher — nachdem er vorher gemalt und gezeichnet hatte — 1965 zu schreiben. Bereits nach kurzer Zeit übernahmen deutsche Zeitungen seine Kurzgeschichten regelmäßig für ihre Wochenendbeilagen. Auch im ORF fanden seine Geschichten und Buchkritiken Aufnahme. 1973 wurde der erste Erzählband Kappachers, dessen Interessen sich im Bereich' fernöstlicher Religionen und Philosophien bewegen, im Verlag Alfred Winter, der damit sein erstes Buch editierte,

unter dem Titel „Nur Fliegen ist schöner“, veröffentlicht.

Der Roman „Morgen“ ist eine realistische Schilderung, ein „inneres Protokoll“ des Berufs- und Privatlebens eines mittleren Angestellten in Salzburg. Der Ich-Erzähler dieses ersten Romans Walter Kappachers, Mitarbeiter einer Werbefirma, plant den Ausbruch aus der ihn umgebenden Konsum- und Leistungsgesellschaft. Seine Erlebnisse, lose Szenenfolgen, Dialogfetzen sind Stücke all-

täglicher Wirklichkeit: der Tod des Vaters, die Suche nach einem Autowrack, ein Betriebsausflug, Gespräche mit Freundinnen und Kollegen, die Arbeit im Büro, eine Party, eine Geschäftsfahrt nach Wien. Lauter halbherzige Beziehungen, frustrierende Abhängigkeiten, banale Alibihandlungen.

Kappacher erzählt in zehn zerhackten Strängen. Diese Technik erlaubt nur wenig Reflexion: Scharf gezeichnete Einzelsituationen nehmen dem Erzähler immer wieder, immer mehr die Aussicht auf ein „Morgen“, das lebenswert sein könnte. Der Stil Kappachers ist geprägt von brutaler Zurückhaltung. Er schreibt in einem völlig unbe-mühten, unerregbaren Ton. Gerade aber dieser gleichmütige Ton läßt den Roman von Seite zu Seite spannender werden. Ein sehr lesbarer Gesprächsstil, der trotzdem literarisch überaus dicht konstruiert ist.

MORGEN. Von Walter Kappacher, Roman, Verlag Alfred Winter, Salzburg 1975. 126 Seiten, S 98.—.

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