7051771-1991_03_16.jpg
Digital In Arbeit

Cleverle

Werbung
Werbung
Werbung

Sowas würde es bei Euch nicht geben, das ist in Österreich unmöglich! Nicht etwa, daß österreichische Politiker keine reichen Freunde in der Industrie haben könnten, die ihnen gelegentlich mit Familie einen teuren Traumurlaub auf Firmenkosten ermöglichen würden wie es dem Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg widerfahren ist.

Aber zurücktreten würde doch in Österreich kein Politiker, nur weil kleine Gefälligkeiten in Millionen-Höhe bekannt geworden sind. Das ist diese deutsche Pingeligkeit: Kaum ist man erwischt worden, bricht das Ehrgefühl aus.

Lothar Späth hat selbstverständlich kein schlechtes Gewissen, keine Schuldgefühle und schon gar nicht die Überzeugung, er sei gekauft worden. Er galt ja immer als ein „Mann der Wirtschaft", als Politiker mit Industrie-Kontakten und unbestreitbarer wirtschaftlicher Kompetenz. Er war das „Cleverle" aus dem schwäbischen „Musterländle".

So clever scheint aber doch selten ein Politiker zu sein, daß er glauben könnte, ihn könne jemand mit schweren Geschenken oder leichten Mädchen beeinflußen. Und mit Reiseeinladungen würde man ihn gar aufgeschlossen machen für spätere staatliche Vergünstigungen, Zuwendungen oder Aufträge.

Politiker-und auch vielevon uns Journalisten - können sich anscheinend besonders leicht selbst einreden, daß großzügige Einladungen - vom Opernball bis zur Traumreise und vom Testauto über die Garnsjagd bis zum Segeltörn - gelten nur der sympathischen, geselligen und geistreichen Person.

Wie weit das Korruptions-Brauchtum in vielen Köpfen schon als landesüblich und legal „verinnerlicht" ist, zeigt die Tatsache, daß der betreffende Oberstaatsanwalt in Stuttgart die hohen Aufwendungen des angeklagten Industriemanagersfür Späth vom Vorwurf der Steuerhinterziehung ausgeklammert hat. Aber nicht, um gesonderte Anklage wegen Bestechung zu erheben, sondern weil er glaubte, diese Beträge für „Kontaktpflege" mit dem Ministerpräsidenten als notwendige und daher zu Recht abzugsfähige Betriebsausgaben akzeptieren zu müssen.

Immerhin war das leichtsinnige Cleverle wenigstens jetzt so redlich und so schlau, nicht lange österreichisches „Stehvermögen" zu demonstrieren, sondern die peinliche Affäre mit seinem Rücktritt schnell zu beenden. Jetzt ist die Diskussion beendet und weitere Leichen blieben im Keller.

Aber das ist der Grund, warum in Deutschland Skandale sich nicht so endlos hinziehen wie in Österreich. Schnellere Einsicht und Konsequenzen der Betroffenen schaden vielleicht der Person, aber retten das Ansehen des Amtes. In Österreich ist es umgekehrt.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung