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Was ist die Mehrzahl von „Mann"? Männer. Sehr gut. Aber noch nicht setzen.

Die Mehrzahl von „Mann" ist auch „Mann".

Stimmt. Sehr merkwürdig. Eine militärische Mehrzahl. „Eine Truppeneinheit von soundsoviel Mann."

Einzigartig. Man sagt nicht „Eine Herde von soundsoviel Rind", man sagt nicht „Eine Schulklasse von soundsoviel Kind", „Ein Corps de Ballett von soundsoviel Dame", aber die Ein-Mann-Mehrzahl ist sehr seltsam.

Wie heißt die Mehrzahl von „Mann" noch?

Die Mehrzahl von „Mann" heißt auch „Leute".

Sehr gut, setzen.

Feuerwehrmann — Feuerwehrleute, Seemann — Seeleute ...

Auch das ist staunenswert. Es bestärkt mich in meiner großen

Freude, die deutsche Sprache nicht als Fremdsprache erlernt haben zu müssen.

Denn „Leute", das sind gemeinhin etliche Personen verschiedenen Geschlechts.

Aber die Landeshauptleute sind nicht Landeshauptmänner und Landeshauptfrauen, sondern etliche Exemplare der Gattung Landeshauptmann.

Diese „Leute" als Mehrzahl des Mannes sind mir sehr nahe, seit eine Schauspielerin, die in ihrer Garderobe etliche Stofftiere, kleine Figuren und andere Maskottchen versammelt hatte, wie es so bei den Komödianten der Brauch ist, diese als ihre „Talisleute" bezeichnete.

Ich weiß, daß dies nicht die korrekte Mehrzahl von „Talismann" ist, welche ich nicht kenne, aber es war ein hübscher geblödelter Hinweis auf die irreguläre Mehrzahlbildung von „Mann".

Und von da aus spinne ich oft weiter.

Ein Strohmann kann seinen Namen für eine anonyme Gruppe hergeben; dies könnten aber auch mehrere Strohleute sein.

Die Volksanwaltschaft besteht aus mehreren Ombudsleuten.

Der Vertrauensmann — die Vertrauensleute, ja, der Hauptmann — die Hauptleute, ja, aber andererseits bezeichnen die Wörter „Brautleute" und „Eheleute" nicht mehrere Bräutigame oder einige verheiratete Männer — seltsam, seltsam!

Hermann Sudermann war zu seiner Zeit ein bedeutender, etwas reißerischer Stückeschreiber. Er hatte etliche Epigonen: die Suderleute.

Vor Jahrzehnten spielte Alexander Moissi Jedermann bei den Salzburger Festspielen. Und nach ihm gab es schon viele Jederleute.

Andererseits aber — und damit spielt die Betrachtung vom Vokabularischen in das Soziologistische hinüber — andererseits aber will die heutige Frau den Mann auch in ihrem Namen, und erst recht in der Bezeichnung ihrer Tätigkeit überwinden.

Zum Beispiel: die Torfrau im Damenfußball, die Obfrau des Vereins. Die Kaufmännische Berufsschule für Knaben braucht eine Kauffrauische Berufsschule für Mädchen.

Längst gibt es nicht nur Staatsmänner; ein weiblicher Staatsmann wäre ein Nonsens, Indira Gandhi ist eine Staatsfrau.

Besonders arg muß es für ein weibliches Wesen sein, sich als Mannequin bezeichnen zu lassen. Wo bleibt der Frauequin?

Die Gattin Herrn Jägers ist die Jägerin, die Gattin Herrn Müllers ist die Müllerin, die Frau des Herrn Koch ist die Köchin, wie einst die Prinzipalin Frau Neuber sich „die Neuberin" nannte.

Und die Frau des Herrn Goldmann müßte Anspruch haben, sich Goldfrau zu nennen, die Madame Gutmann müßte im Zivilstandesregister als Madame Gutfrau geführt werden, die Kinder aus der Ehe der Goldleute und Gutleute wären die Goldmädchen und Goldknaben beziehungsweise Gutmädchen und Gutknaben.

Ein vorläufiges Ende des Weiterspinnens ist erreicht, wenn man das Brüderpaar Carl und Gerhart Hauptmann als die Brüder Hauptleute und das Brüderpaar Heinrich und Thomas Mann als die Brüder Leute in die Literaturgeschichte eingehen läßt.

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