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Denken und verändern

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Der prominente Vorwurf an die Adresse Feuerbachs (Philosophie erschöpfe sich im Interpretieren, während es auf das Verändern ankomme) wird heute, da Empfänger verstorben, neuen Adressen zugestellt. Ist es so gesehen nicht erstaunlich, in einem Buch, das ein heutiger Philosoph über einen längst verstorbenen Philosophen schrieb, formuliert zu finden, es gehe nicht darum, „in abstrakten Begriffen etwas vor den Denkenden hinzustellen, vielmehr darum, den Denkenden selbst so zu verändern, daß er in eine neue Form des Vollzugs seines Daseins eintritt und in dieser neuen Form neue Erfahrungen macht"?

Denken, das den Denkenden verändert. - Zugegeben, die hier gemeinte denkend geleistete Veränderung hat eher mit Spiritualität als mit politischem Handeln zu tun; aber heißt dies zugeben gleichzeitig auch zugeben, Spiritualität habe nichts mit politischem Handeln zu tun?

Der Freiburger Philosoph Bernhard Welte denkt nun schon seit Jahrzehnten, wie er selbst sagt, über die Sache des Meister Eckhart nach. Sein Buch darüber, mit dem er nicht nur die Philosophenzunft allein ansprechen möchte, nennt er „Gedanken zu seinen Gedanken". Das klingt bescheidener, als es ist. Denn es beansprucht nichts Geringeres als „in unseren Gedanken selbst zu sehen, was der Meister gesehen hat". Als jemand, der Philosophie nicht zu seinem täglichen Brot gemacht hat, ist man zunächst versucht, sich vom Umfang des Buches schockieren zu lassen. Aber als fasziniert Lesender wird man dann doch froh sein, in die Schwarte gebissen zu haben. Das kommt davon, weil es darauf ankommt, daß solch Denken den Denkenden verändert.

MEISTER ECKHART. Gedanken zu seinen Gedanken. Von Bernhard Welte. Verlag Herder, Freiburg i. Br. 1979. 271 Seiten, öS 255,85.

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