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Der Sieg der Karikatur

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Bekanntlich ist es noch keiner Diktatur gelungen, den politischen Witz auszumerzen. Im Untergrund, hinter vorgehaltener Hand weitergeflüstert, gedeiht er. Auch in Spanien war es so, bis der damalige Informationsminister Fraga Iri- baime, der jetzt wieder als liberalisierender und fast oppositionell zu nennender Konferenzteilnehmer Triumphe auf der internationalen politischen Bühne feiert, 1966 sein Pressegesetz vorleigte.

Die Karikaturisten, oft den Kommentatoren voraus, begannen bereits vor seiner Verabschiedung die dreißigjährige Monotonie der spanischen Presse zu durchbrechen, in der sie bis dahin nur örtliche Geschehnisse karikieren durften. Der Veteran unter Spaniens Karikaturisten, Antonio Mingote, der sich im monarchistischen „ABC“ über Spießbürger, Hinterwäldler und sonstige Vorgestrige lustig machte, begann den Spaniern mit seinen „Steinzeittypen“ zu beweisen, daß sie in ihrer sozialpolitischen Mentalität nicht sehr viel weiter gekommen sind, und die „Codorniz“, Spaniens wöchentliches Witzblatt, fing an, sich mit den Politikern anzulegen.

Selbst Minister wurden und werden karikiert, allerdings nie negativ, denn davor schützt sie das Pressegesetz, das lästige Witzbolde zu saftigen Geldstrafen verdonnern kann. Wenn auch die Pressefreiheit bereits kurz nach ihrer Dekretierung durch die Anwendung der einschränkenden Artikel beschnitten wurde, sproß die politische Karikatur doch fröhlich weiter. Junge Zeichner, wie Maximo oder Chumy Chumez, führten einen angriffslustigen, modernen Humor ein.

Maximo, der Intellektuellste in der neuen Karikaturistengeneration, bekrittelt täglich in der Madrider gewerkschaftseigenen Abendzeitung „Pueblo“ dickwanstige Bankiers und selbstgefällige Bürokraten. Der Baske Chumy Chumez hat in Spanien den schwarzen Humor eingeführt und befaßt sich in der Zeitung „Madrid“ mit dem offiziell abgeschafften Klassenkampf. Sein Lieblingsthema sind die „Sefioritos“, die dem Nichtstun und dem Vergnügen lebenden Großgrundbesitzer und deren Vasallen. Forges, der jüngste unter den neuen Karikaturisten, zeichnet dicknasige, furchteinflößende white- collars, in denen der Leser der unabhängigen Madrider Tageszeitung „Informaciones“ Re gierungsbeamte wiederzuerkennen glaubt.

Seiner Ansicht wird wegen der in Spanien fehlenden Ausdrucksfreiheit kein politischer, sondern nur sozialwirtschaftlicher Humor gemacht. Der Soziologe Armando de Miguel, der wegen eines Zeitungsartikels vom Barceloner Militärgericht seit mehr als einem Monat in einem Hotel in „erleichterter Haft“ gehalten wird, meint, daß „die Witze von Forges, Maximo oder Chumy mehr Einfluß ausüben, als die Leitartikel der Zeitungen, in denen sie veröffentlicht werden“. Tatsächlich kann der Karikaturist in Spanien trotz allem Dinge sagen, die dem ernsthaften Kommentator verwehrt sind.

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