„Vor uns die Sintflut", der neue Aphorismenband von dem Slowenen Zarko Petan (1929 geboren), beweist abermals, daß er das einzige geistig ebenbürtige Pendant des unvergeßlichen Polen Jerzy Lee (1909-1966) ist.
Diesmal gibt Zarko Petan „Ein immerwährendes Kalendarium"
zum besten: von der ersten bis zur 52. Woche, jedes Kapitel mit sieben Aphorismen, über Liebe und Lieblosigkeit, Menschliches und Unmenschliches, privates und öffentliches Leben.
„Unsere Politiker: Amateure mit Profigehältern." Pazifistisch und lakonisch: „Soldaten sind unfreiwillige Blutspender." Dieser ungläubige Denker glaubt nicht recht an den Menschen: „Es ist schwer, für jeden Judas einen Christus zu finden." Er gibt aber zu: „Auch Atheisten glauben an den Teufel."
Wieso, fragt man sich, sind die Sprüche des Jerzy Lee ebenso vor- wie weitsichtig, und jetzt die von Zarko Petan? Der eine mußte, der andere muß die Grenzen der Gedankenfreiheit beim Schreiben respektieren; beide tun das, aber ohne Respekt. Wo Kritik noch eine Kunst sein muß, tarnt sie sich zum Beispiel als Kunstkritik: „Jugoslawisches Orchester: zehn Dirigenten auf einen Musiker."
Das meiste in dem Buch kann brandaktuell werden. „Auch am olympischen Feuer kann man sich die Finger verbrennen." Üble Nachrede? Im Gegenteil: gute Voraussage.
VOR UNS DIE SINTFLUT. Von Zarko Petan. Styria Verlag, Graz/Wien/Köln 1983. 79 Seiten, brosch., öS 118,-.