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Die Exekutive wird radikaler

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„Immer mehr Polizisten suchen Nebenjobs. Der Polizeidienst wird als Nebenberuf gesehen, den man ausübt, um eine Pension zu bekommen." So schilderte mir vor etwa sechs Wochen ein Polizist die Situation in seinem Arbeitsbereich. Er faßte sie in einem Satz zusammen: „Bei der Polizei wachsen Frust und Radikalisierung."

Bei den Personalvertretungswahlen hat sich dieser Frust in einem Rechtsruck ausgewirkt. In Scharen laufen die Exekutivbeamten zur FPÖ über. Die Tendenz zu einer Radikalisierung der Exekutive kommt nicht von heute auf morgen und sie ist nicht auf Österreich beschränkt. In Deutschland gibt es ein ähnliches Phänomen, und auch die Ursachen lassen sich deutlich erkennen. Zum einen sind es die „äußeren" Bedingungen: Die Exekutive ist schlecht bezahlt, meist auch ungenügend ausgerüstet und sie leidet vor allem unter Personalmangel.

Dazu kommen aber noch gravierende „innere" Schwierigkeiten, die ein deutscher Revierleiter in der „Zeit" so artikuliert hat: „Die Konsumgesellschaft verlangt das Gefühl der inneren Sicherheit zum Billigtarif. Den Rabatt sollen wir aufbringen." Die Ordnungshüter, vor allem die Jungen, fürchten immer mehr auf verlorenem Posten zu stehen, „und in einer sozial zerklüfteten Gesellschaft die Ideale eines gutsituierten Mittelstandes durchsetzen zu müssen."

Mein österreichischer Gesprächspartner hat das auf einen ähnlichen Nenner gebracht: Aufgaben, die von der Politik nicht bewältigt werden, sollen von der Exekutive mit dem Knüppel gelöst werden. Zwen-tendorf ist hier ein augenfälliges Beispiel aus der Vergangenheit. Aber immer häufiger kommt es auch zu einer Kriminalisierung der Armut, zum Beispiel: Das Problem der Obdachlosigkeit wird auf die Polizei abgeschoben.

Eine Herausforderung für die Polizei ist auch der dynamische Prozeß der Vereinigung Europas mit seinen Folgewirkungen: Durch die offenen Grenzen mit dem Osten nimmt die grenzüberschreitende Drogen- und Bandenkriminalität zu. Die Herausforderung wird zwar erkannt, aber die Bürokratie arbeitet zu langsam und zu ineffektiv, um wirksame Gegenstrategien entwickeln zu können. Vor allem müßte viel mehr in die Prophylaxe investiert werden. Das, zusammen mit besserer Ausbildung und Schulung, kostet natürlich Geld. Und daran hapert es.

Und so wird man aus Lethargie oder mit dem Hinweis auf das fehlende Geld die Radikalisierung unserer Exekutive weiterhin „besorgt ignorieren".

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