Die Behauptung, daß Männer lügen, selbst von einem Mann ausgesprochen, enthält nicht jene dialektische Widersprüchlichkeit des altgriechischen Parade-Paradoxon „Alle Kreter lügen". Es wird ja nicht behauptet, daß alle Männer immer lügen. Dies wäre ja gelogen-jeder-
mann weiß, daß man ab und zu die Wahrheit sagt, und sei es aus Bequemlichkeit oder aus Mangel an Phantasie. Lüge ist ein schöpferischer Akt, sie bedarf einer gewissen
Anstrengung des Geistes, die ein normaler Mensch nur dann auf sich nimmt, wenn er davon einen Vorteil erwartet. Ich kann keinen Vorteil davon haben, wenn ich sage, daß Männer lügen, man kann mir also diesmal glauben.
Warum sollen auch die Männer nicht lügen? Die Frauen und Kinder lügen ja auch. Sogar Tiere lügen - sie haben eine Meijge Tricks, um ihre Artgenossen zu täuschen, wie ich gelesen habe -, obwohl sie es viel schwieriger haben als wir, weil sie weder reden noch schreiben können, und dazu noch über keine Massenmedien verfügen. Würden wir Männer nicht lügen,
wäre dies eine Bankrotterklärung, ein Zeichen der abgrundtiefen Minderwertigkeit unseres Geschlechts.
Die Behauptung, daß Männer lügen, ist also absolut banal und keineswegs sensationell. Als kleine Sensation war dagegen die Zeitungsnotiz gemeint, die über die Studie eines Psychologen der Universität von Kalifornien zum Thema „Männliche Lügen" berichtete. Der Professor fand angeblich die drei wichtigsten Lügen der Männer heraus:
Sie geben mit ihrer Körpergröße an - keiner will unter 180 Zentimeter sein; sie geben an, sie kannten sich mit dem Motor ihres Wagens bestens aus - den Mechaniker rufen sie immer nur aus Arbeitsbeschaffungsgründen; sie sagen jeder Frau „Gut siehst du aus!".
Die wirklich großen Lügen der Politiker, der Moralisten, der Weltverbesserer und der Gurus sind nicht geschlechtsspezifisch. Eine supergroße Männerlüge gibt es aber wirklich - die Lüge von der Männerherrschaft. An diese Lüge, obwohl sie jeden Tag millionenfach widerlegt wird, glauben die meisten Männer und sogar manche Frauen.
Zur Wahrheit kann sie nur in einem Fall werden: wenn eine feministische Revolution alle offiziellen Machtposten mit Frauen besetzt. Dann könnten die Männer endlich an die wirkliche Herrschaft gelangen.
