7027060-1989_15_22.jpg
Digital In Arbeit

Die Manichäer

Werbung
Werbung
Werbung

Mit vierzigjähriger Verspätung erscheint nun auch in deutscher Sprache Steven Runcimans bedeutende Studie „Häresie und Christentum — der mittelalterliche Manichäismus“. Aber auch jetzt noch füllt der Autor, dem neu erwachten Interesse fürs Mit telalter entsprechend, eine nicht zu übersehende Lücke.

In minutiösen Quellenforschungen und -darstellungen geht er einer Glaubensgemeinschaft nach, die sich einst vom Schwarzen Meer bis zur Biskaya verbreiten konnte und in arger Vereinfachung als Bogumilen, Katharer, Albigenser und so weiter bekannt wurde. Gemeinsamer Grundzug dieser „Häretiker“, „Sekten“, „Gnostiker“, wie sie vielfach genannt werden, ist eine dualistische Sicht der Schöpfung: dem absoluten Guten steht ein ebenfalls zuoberst angftiedeltes, dem Guten (fast) gleichwertiges Prinzip des Bösen gegenüber.

Im Menschen wird dieser Kampf zwischen beiden Mächten ausgetragen, die Entscheidung fällt nicht in der Geschichte, sondern ist bereits seit Ewigkeit durch Vorherbestimmung fixiert — nur der Mensch weiß sie noch nicht. Diese „Religion“ gibt also im Grunde dem Menschen keine Hoffnung, und daraus wird auch die augenfällige ethische Indifferenz verständlich: Wenn schon alles entschieden ist, kann ich mein Schicksal auch durch das Böse nicht mehr beeinflussen.

Nicht in jeder Ausprägung wird die Ideologie des Manichäismus so deutlich, als Grundzug steht sie hinter jedem Dualismus und beginnt sich auch heute wieder durchzusetzen, gepaart mit einer gehörigen Verachtung des Irdischen und Leiblichen. Runcünan könnte uns manches darüber lehren.

HÄRESIE UND CHRISTENTUM. DER MITTELALTERLICHE MANICHÄISMUS. Von Steven Runciman. Wilhelm Fink Verlag, München 1988. 255 Seiten. Ln., öS 374,40.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung