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Ist der Teufel los ?

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Der Manichäismus ist die Krebskrankheit unserer Zivilisation, der Zivilisation des weißen Mannes, der Zivilisation des Christentums. Der Manichäismus ist weltgeschichtlich heute wieder eine furchtbare Macht, in westlichen Formen, in östlichen Formen. In westlicher, politischer Form: als eine Doktrin amerikanischer Weltpolitik, basierend auf Sem Glauben von heute meist protestantischen Fundamentalisten, sturen „Bibel-Gläubigen" — vor ihnen hat Präsident Reagan seine berühmt-berüchtigte Rede über die notwendige Ausrottung „der Bösen" im Kreml gehalten.

Noch vor nicht langer Zeit wurden als Kinder der Finsternis die Gläubigen des Teufels in Rom, des Papstes, ersehen: also „no popery", Kampf gegen das päpstliche Rom, gegen seine „Satelliten des Satans", die römischen Katholiken. Es bedurfte außerordentlicher Anstrengungen in unserem 20. Jahrhundert, von den nordamerikanischen Katholiken diesen Ruch des Bösen, des Teufels zu nehmen, sie zu emanzipieren und zu integrieren in den USA.

Das totale Schweigen angesichts von Hiroshima und Nagasaki (dem Zentrum des japanischen Katholizismus!), angesichts von Greueltaten in Vietnam, steht noch im düsteren Schatten der alten nordamerikanischen Denunziation der römischen Katholiken als Satelliten des Römischen Satan.

östlicherseits weht manichäi-scher Sturm durch Ideologie und Praxis des innen- und außenpolitischen Kampfes der russischen Erben des russisch-orthodoxen Manichäismus der Ostkirche, die früh bereits ihrerseits Rom, das Papsttum, und den ganzen ,4tor-rupten Westen" als Teufelsnest von dreißig Häresien ersah und in Predigten und Traktaten ansprach: vom 16. Jahrhundert an.

Brutaler Vulgär-Manichäismus arbeitet in der Praxis: Die Kinder des Lichts, des Fortschritts, die Gläubigen des roten Kreml, haben unter Führung der „Perfecti" (so nannten die Manichäer ihre Führungskader, ihre Elite) die bösen Mächte in dieser Welt, die „Kapitalisten", die „Reaktionäre", die „Konterrevolutionäre", die Links- und Rechtsabweichler, auszurotten. Leben ist Kampf bis zum Letzten: Bis zur Schaffung der kommenden, zukünftigen „sozialistischen Gesellschaft" in der „neuen Welt", der „neuen Zeit", des vollendeten Kommunismus.

Persien: Wir stehen an den Quellen der Weltmacht Manichäismus. Die Landschaft in der Zoroaster (Zarathustra, etwa 628—551 v. Chr.) sein manichäi-sches Ur-Evangelium schuf, ist eine Landschaft härtester klimatischer Gegensätze. Temperaturen wechseln von fünfzig Grad Wärme auf dreißig Grad Kälte. In dieser Landschaft, die dem Menschen einen unermüdlichen Kampf um Selbstbehauptung aufzwingt, tritt Zoroaster als Reformer einer alten Volksreligion auf, die, wie alles „Alte", sehr vielschichtig ist.

Härtester Dualismus: Asha und Druj, Wahrheit und Lüge, Recht und Unrecht kämpfen gegeneinander. Diese beiden Mächte spiegeln den politischen und gesellschaftlichen Gegensatz eines friedsamen Hirtenvolkes gegenüber räuberischen Nomaden, die ständig einzufallen drohen. Zoroaster nennt letztere dregvants, „Befolger der Lüge", seine eigenen Anhänger ashacans, „Befolger der Wahrheit und Gerechtigkeit". Die Söhne Zoroasters sehen uns an: heute in Teheran.

Manichäismus: Mani, Schöpfer des Manichäismus in seiner Renaissance, geboren am 14. April 216 n. Chr. in einem Dorfe Babylo-niens, gestorben nach sechsund-zwanzigj ähriger Haft im Kerker 276 oder 277 n. Chr., ist seiner Herkunft nach ein Perser-Prinz, dessen Familie nach Babylonien emigriert war. Mani war ein Universalgenie, war Lyriker, Epiker, Li-turg, Hymnen-Dichter, ein großer Organisator seiner Kirche, organisierte seine Mission in Ost und West, nannte sich im Briefeingang „Mani, der Apostel Jesu Christi".

Der Manichäismus fasziniert viele junge Christen, prägt, folgenreich bis heute, den „politischen Augustinismus" der römischen Kirche, ihre Ideologie und Praxis der Verfolgung von „Ketzern" und Nonkonformisten bis in den Tod.

Augustinus, der Afrikaner, der Berber, verbringt, wie er selbst bekennt, die zehn schönsten Jahre seines Lebens, vom neunzehnten bis zum dreißigsten Lebensjahr, in den „Düsternissen der Manichäer". Von ihnen erbt er lebenslang „die religiöse Schizophrenie der beiden Gesetze" (Hans Urs voa Balthasar), die makabre Behauptung der „beiden Lieben", einen abgründigen Pessimismus der bösen geschlechtlichen Welt gegenüber, eine panische Geschlechtsangst, die Katholiken bis zum 20. Jahrhundert verseucht.

Manichäismus 4ieute: Er arbeitet in Christen und Gegenchristen, in .JEloten" und „Schwarzen", in Amerikanern, Europäern, Muslimen .. .Er offenbart sich als die stärkste Weltmacht, die die Menschheit nicht zur Ruhe, nicht zum Frieden kommen läßt, da sie Heil nur im Endkampf gegen „die Bösen", hier, heute, morgen sieht und, besessen von ihrem Teufelsglauben, Teufeleien produziert — in Ost und West in Nord und Süd.

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