Friedrich Heer in Furche-Zitaten

Werbung
Werbung
Werbung

Gespräch der Feinde

10. Dezember 1949: ... unser Inneres muß sich in Brandherde, in Vulkane verwandeln, wenn wir den Haß, den Mord, den Neid, das Ressentiment, alles das, was wir ... nach außen hin abreagieren, in Aversionen gegen unsere politischen und persönlichen Gegner, auf uns, in uns aufnehmen und neu zu bewältigen ... trachten. Bedenken wir konkret, was das bedeuten würde: die Katholiken hätten bis 1945 ihren Haß gegen die "Nazis" ... innerlich verarbeitet ..., statt auf die Erlösung von Radio Straßburg und London zu hoffen. Es wäre seit 1945 ein anderer Raum entstanden. Bedenken wir, die Christenheit würde heute ihren Haß gegen den Kommunismus ... innerlich verarbeiten, es müßte morgen bereits eine neue Welt entstehen.

Therese von Lisieux

5. Oktober 1957: Wir kennen nun aus der Erfahrung Theresens den genau entsprechenden spirituellen Produktionsprozeß im Kosmos. Die Währung, in der hier bezahlt, also Energie, Leben, Liebeskraft erschlossen wird, ist bewußt angenommener Schmerz ... Der Hellreaktion bei der Verwandlung von Lichtquanten in Substanz, in Lebensenergie entspricht das, was wir Menschen als Gnade, Liebe, Güte ansprechen, der Dunkelreaktion entspricht das, was wir als Ungnade, Krankheit, Schmerz, Haß ... ansehen. In dem achtmonatigen Prozeß ihrer Zerschlagung und Verwandlung erfährt Therese von Lisieux: nun wird Wirklichkeit ..., verzehrt zu werden, als ein Atom ... vom "Feuerofen der dreifaltigen Gottheit".

Rom, die Juden, wir

10. Oktober 1964: Für die katholische Kirche geht es um die Öffnung zu einer neuen, erstmaligen Begegnung mit den Juden. Dies setzt die Überwindung einer eineinhalbtausendjährigen Tradition voraus. Der christliche Antisemitismus ist die Krebskrankheit des Christentums ...

Das Christentum und der Katholizismus stehen am Morgen des Atomzeitalters gerade hier an einer Wegmarke: Es gilt, über den blutigen Schatten einer tausendjährigen Tradition und einer mörderischen Praxis, einer Anwendung dieser Theorien zu springen. Wir können heute nicht mehr "übersehen", daß viele der SS-Führer in katholischen und evangelischen Kirchen getauft wurden.

Annemarie Düringer

19. Oktober 1974: Wien ist eine schwere Stadt. Eine harte Stadt. Nicht selten eine grausame Stadt: erbarmungslos gerade gegen seine schöpferischen Kinder. Das goldene Wienerherz ist härter als Kruppstahl Dazu kommt dies: Während in Deutschland der Autor ... das Primäre ist, konzentriert sich das Wiener Publikum mit erbarmungsloser Härte auf den Schauspieler: und verwirft ihn, den großen Namen, wenn er, der Schauspieler, ihm nicht gefällt ... Dieses Klima, ich wage es zu behaupten, dieses mörderische Klima tat dem Berner Menschenkind Annemarie Düringer, in all dem Leid, das es ihm zufügte, ein letztes Gutes an: das Wiener Publikum und das Wiener Klima forderten ihr den letzten Einsatz ab.

Ist der Teufel los?

31. August 1983: Der Manichäismus ist die Krebskrankheit unserer Zivilisation ... Der Manichäismus ist heute weltgeschichtlich wieder eine furchtbare Macht, in westlichen Formen, in östlichen Formen. In westlicher, politischer Doktrin amerikanischer Weltpolitik, basierend auf dem Glauben von heute meist protestantischen Fundamentalisten, sturen "Bibel-Gläubigen" - vor ihnen hat Präsident Reagan seine berühmt-berüchtigte Rede über die notwendige Ausrottung "der Bösen" im Kreml gehalten ...

Brutaler Vulgär-Manichäismus arbeitet in der Praxis: Die Kinder des Lichts, des Fortschritts, die Gläubigen des roten Kreml haben ... die bösen Mächte in dieser Welt, die "Kapitalisten" ... auszurotten.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung