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DIE MASKEN DER MASSAI

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Das Klischee vom „dunklen, schwarzen Afrika" wird oft noch künstlich aufrecht erhalten. Das Schicksal der Massai ist ein typisches Beispiel dafür.

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Das Klischee vom „dunklen, schwarzen Afrika" wird oft noch künstlich aufrecht erhalten. Das Schicksal der Massai ist ein typisches Beispiel dafür.

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Die Werbestrategen Ostafrikas für Tourismus wären schlagartig brotlos, gäbe es nicht das geheimnisumwitterte Volk der Massai. Diese haben zum Teil einen ganz individuellen Anschluß an die Neuzeit gefunden: Sie sind beinahe brotlos geworden, weil es die großen Tiere auf der freien Wildbahn nicht mehr in ausreichender Menge gibt. Aus geschichtlichen Gründen leben sie vernachlässigt in den modernen Nationalstaaten Tansanien und Kenia; ihre Unterentwicklung ist besorgniserregend. Die Massai leben auf Farmen von Geschäftstüchtigen und lassen sich von den nach Exotismus hungrigen Urlaubern ablichten, indem sie täglich ihre Kultur öffentlich zur Schau stellen. Die Touristen fahren befriedigt mit ihrer Bildbeute heim und präsentieren stolz Freunden, wie die Klischeevorstellungen vom „dunklen, schwarzen" Afrika bestätigt worden sind. Sie sehen nicht durch die Inszenierung der Wildnis auf die triste Lage einer aussterbenden Kultur.

Das Beispiel der Massai ist nicht einzigartig. Im Gegenteil. Solche Fälle finden sich in allen Ländern der Dritten Welt, die touristisch erschlossen Sind, da sie auf diese Einnahmequelle nicht verzichten können. Wer die Reiseprospekte durchblättert, findet Angebote zuhauf: Erlebnisreisen zu den Dayak in Borneo, zu den Kopfjägern in Neuguinea, zu den Indianern Südamerikas, zu den wilden Bergstämmen Thailands.

Einzigartig wird das Beispiel der Massai durch seine Folgen: Die ehemaligen Bantu-Todfeinde der Massai, die Akambas, schnitzen die berühmten „Massaimasken". Die stolzen Massai selbst schnitzen keine Masken. Um der Nachfrage genüge zu tun, wurden vom Staat und von internationalen Hilfsorganisationen Schnitzkooperativen gegründet, die zwischen Viktoriasee und Mombasa für den Tourismus hacken und schnitzen. So floß Geld der europäischen Gemeinschaft in die Akamba-Schnit-zerkooperative Wamunyu und die christliche Hilfsorganisation „Cottage Industries Nairobi" handelt mit dem geschnitzten Kitsch, dabei jahrelang unterstützt von ,3rot für die Welt".

Selten sind Objekte in der Tourismusindustrie anzutreffen, die sowohl den Sehnsüchten der Touristen nach Wildnis, Barbarei und scheinbar schrankenloser Freiheit ebenso entsprechen, wie auch dem Marktetikett Afrikas - von fremden Eroberern aufgedrückt - entgegenkommen: Dunkler Erdteil mit barbarischer Kultur, gefährlich durch wilde Krieger.

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