Es war nicht leicht, Interviews vor laufender Kamera mit Thomas Bernhard zu bekommen. Jahrelange Bemühungen der ORF-Kulturredakteurin Krista Fleischmann führten letztlich zu einem Vertrauensverhältnis, dem die Öffentlichkeit drei große Filmbeiträge, gedreht auf Mallorca, in Wien und in Madrid, verdankt. Erstmals liegen sie nun ungekürzt in Buchform vor.
Über weite Strecken geriert sich Bernhard dabei als Kind, das Schauergeschichten erzählt, um die Leute zu erschrecken. Nur einmal läßt Fleischmann sich tatsächlich schrek-ken und geht von ihrer Rolle als Stich-wortbringerin für Bernhards Monologe ab: Bei seiner mit Verve vorgetragenen Attitüde als Frauenfeind, die stark an Otto Weiningers legendäres Buch „Geschlecht und Charakter" erinnert. Hier versucht sie gegen Bernhards Meinung, daß der Verstand der Frauen „eigentlich auch nichts als Gefühl" ist, zu argumentieren.
Auffallend ist Bernhards Zug zur Pauschalierung. Wenn Fleischmann ihm etwa vorhält, seine Aussage „Früher waren die Engländer unerträglich" sei ein Vorurteil, antwortet er: „Es gibt ja nur Vorurteile." Das geht Hand in Hand mit seinem ja auch aus seinen Büchern bekannten Hang, alles vom Persönlichen ins Allgemeine zu ziehen.
Bernhard nimmt hier zu „Gott und der Welt" Stellung. Die Ablehnung seiner katholischen Erziehung und der für ihn scheinheiligen Kirche mündet in den Satz: „Ich bin sehr religiös, aber ohne jeden Glauben". Er erklärt das dann damit, daß er den „konzessionierten Herrgott" nicht brauche. Aber Papst wäre er gerne geworden.
Antworten finden sich auch zu der im Zuge der Entdeckung, daß der Ohlsdorfer Bürger auch Mitglied des ÖVP-Bauembundes war, heftig diskutierten Frage, inwieweit Bernhard ein konservativer Mensch war. Nimmt man seine Aussagen zur staatlichen Kunstförderung, kann man in ihm nahezu einen Reaktionär sehen: „Ich bin gegen jede Subvention, gegen jede Rentnerei, und Künstlern soll man überhaupt keinen Groschen zahlen."
Er erweist sich hier als Misanthrop und damit als Österreicher in der Nachfolge Nestroys oder Grillparzers.
THOMAS BERNHARD - EINE BEGEGNUNG. Gespräche mit Krista Fleischmann. Edition S, Wien 1991. 280 Seiten. öS 348,-.
