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Alltagsdämonen

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Angst hat keinen Namen. Sie ist überall und nirgends, alle kennen sie und doch hat sie keiner je gesehen. Angst, das wissen wir seit Kierkegaard, ist im Unterschied zur Furcht auf kein bestimmtes Objekt gerichtet.

In der Geschichte tauchen neben den ganz persönlichen Ängsten eines Individuums immer wieder zeittypische Ängste auf. Eine Epoche, in der sich die realen Ängste (Bedrohung durch Pest oder Kriege) auffallend verstärkten durch religiös motivierte Ängste, war das Mittelalter. Dieses Phänomen untersucht der Mentalitätshistoriker Peter Dinzelbacher in seinem neuesten Buch „Angst im Mittelalter”.

Typische mittelalterliche Angst war jene vor dem Schicksal nach dem Tod, verbunden mit der Hoffnung, zu den Auserwählten zu gehören. Im Altertum etwa hatte der eschatologische Schrecken viel weniger Gewicht. Die von den Theologen formulierten Höllendrohungen hatten, wie der 1249 verstorbene Pariser Bischof Wilhelm von Auvergne offen zugab, dieselbe Funktion, wie elterliche Drohungen mit Ungeheuern gegenüber Kindern: beide sollten Gehorsam erzeugen.

Es ist somit deutlich, „daß die imaginativen Ängste und Hoffnungen mittelalterlicher Menschen im Interesse der Herrschenden instrumentalisiert wurden”, wie der Autor schreibt. Auch der Ablaßhandel dokumentiert das materielle Interesse der Geistlichkeit an der Verbreitung von religiöser Angst. '

Das Spektrum reichte noch weiter: neben der Angst vor dem Angriff böser Geister gab es nicht zuletzt auch die Angst vor dem rächenden Gott. Eine Federzeichnung von 1400 zeigt beispielsweise eine Schutzmantelmadonna, die ihren Mantel um eine Schar von Menschen breitet, während ein göttlicher Bogenschütze aus einer Wolke seinen Pfeil auf sie richtet.

Die Beobachtungen Dinzelbachers sind nicht zuletzt maßgeblich gestützt durch Werke der bildenden Kunst; das Ruch zeichnet sich durch aufschlußreiches und sehenswertes Bildmaterial aus.

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