Die Meteorologen sagen Abkühlung voraus, politisch steht aber ein heißer Herbst bevor. Demnächst tagt in Kairo die Weltbevölkerungskoriferenz. Die Abtreibungsfrage scheint zum Hauptthema zu werden. Der Vatikan erhält dabei Unterstützung aus anderen christlichen Kirchen und sogar aus dem Islam. Es wäre bedauerlich, wenn dadurch die Vielfalt der Probleme unterginge. Verantwortung für die Zukunft der Welt zu übernehmen heißt, Entwicklungshilfe ganz neu überdenken, Versuchungen zu Neokolonialismus schonungslos aufdek- ken, scheinbar unaufgebbare Formen der Weltwirtschaft radikal hinterfragen und zu einer Solidarität aufzurufen, die uns überleben läßt. Wird aber Abtreibung ein Hauptthema, wäre es eine Chance, sie vor aller Weltöffentlichkeit als Indikator dafür herauszustellen, was der „wehrlose Mensch“ in unserer Gesellschaft zählt.
Zur gleichen Zeit wird der Papst nach Zagreb, vielleicht sogar nach Bosnien reisen.
Ein Besuch in Sarajewo würde das allzu gewohnte tragische Bild des Mordens, aber auch die kläglich gescheiterte Politik des Westens in ein grelles Licht setzen. Die Erwartungen sind erstaunlich hoch, sagt Bosniens moslemischer Ministerpräsident. Bei uns zollt Terezi- ja Stoisits von den Grünen dem Papst Respekt, daß er „als einziger hoher Politiker Europas neben Mitterrand“ den Weg nach Sarajewo wagt. Kommt der Besuch zustande, ist er für den Papst der bisher politisch heikelste. Was wird er sagen, ohne der Parteinahme geziehen zu werden?
Angesichts dieser Probleme nimmt sich der anlaufende Wahlkampf in Österreich bescheiden aus. Dabei sind es Nationalratswahlen, die politische Weichen in einer historischen Stunde stellen. Wir suchen unseren Platz im geeinten Europa, sollen unseren östlichen Nachbarländern auf dem Weg zur Demokratie helfen. Womit aber werben die Parteien? Mit Schmähung des Gegners, leichtfertigen Versprechungen, ideologieverdächtigen Ansätzen zu „Umverteilung“, überraschenden „Quereinsteigern“, aber nirgends mit konstruktiven neuen Ideen.
Der Herbst wird heiß werden.
Er kann aber nur die Früchte bringen, die vorher reiften.
