Unsere Gesellschaft ist im Umbau begriffen. Gefordert ist insbesondere der Sozialstaat. Vor allem geht es - notwendigerweise - um das Geld. Der Sozialstaat beschreibt sich durch finanzielle Zuwendungen, die er Bürgern zur Existenzabsicherung zukommen läßt. Der soziale Staat lebt aber auch von Zuwendungen anderer Art. Gott sei Dank gibt es viele funktionierende Netze der Zuwendung: In der Verwandtschaft, in der Nachbarschaft, unter Freunden, Arbeitskollegen, in Vereinen.
Und in vielen Pfarren existieren sozial engagierte Gruppen. Und trotzdem. Auf zwei Probleme stoße ich als Caritasverantwortlicher immer wieder:
1. Arm zu sein, in Not zu geraten ist die größte Schande, die Menschen in Österreich treffen kann. Dazu kommt, Armut ist beileibe nicht immer schön. Die Gesichter der Armut können uns verletzt, verbogen, verärgert, vom Pech verfolgt, die Schuldfrage provozierend, anklagend entgegentreten.
„Helfen kann man nur bei Neumond und in Mokassins." Dieses Zitat eines oststeirischen Dechan-ten beschreibt treffend das Problem von Hilfesuchenden und von Helfern.
2. Wir leben in einer Verdrängungsgesellschaft. Not, Sorgen, Behinderungen, Leiden, Tod sind fast durchgehend in den privatesten Bereich abgedrängt. Immer wieder klagen zum Beispiel Eltern von behinderten Kindern, daß selbst gute frühere Bekannte unter allerlei Vorwänden den Kontakt abbrechen.
Sie spüren schon, ein Teil der Umbaukosten des Sozialstaates muß von uns allen durch ein besonderes Zahlungsmittel aufgebracht werden. Es heißt Zuwendung. Es heißt, die Würde des Menschen vor seiner Leistungsfähigkeit zu sehen. Es heißt, nicht abschaffbares Leid in geeigneter Form mittragen zu helfen. Es heißt, den Dienst des Tröstens, Verzeihens, Versöhnens zu üben. Der soziale Staat braucht dieses Fundament, als sehr persönliche Aufgabe von einzelnen Menschen, aber auch als gemeinsames politisches Leitbild.
Maria Gruber
4020 Linz, Baumbachstr. 8|II|15
