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Eine Revolution steht vor Gericht

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In Peking ist vergangene Woche der Prozeß gegen die „Viererbande" endgültig in Gang gekommen. Angeklagt sind Jiang Qnig, 66, Maos dritte Frau -ebenfalls übel beleumdete Filmschauspielerin aus Schanghai -, der Propagandist Zhang Chungqiao, 69, der vor allem die Presse von Schanghai als Waffe führte, ferner der Literaturkritiker und Chefideologe Yao Wenyuan, sowie das „Wunderkind" Wang Hong-wen, 42, der aus einer Textilfabrik in kürzester Zeit ins Politbüro aufstieg und Vizevorsitzender der kommunistischen Partei wurde. (Gemunkelt wird, daß die letzten beiden ihre Karriere dem Umstand verdankten, daß sie die zwei Töchter Jiang Qnigs und Maos geheiratet hatten).

Mit der „Viererbande" steht die ganze von ihr angestiftete blutige Kulturrevolution vor Gericht. Der Prozeß ist eine Art Rache der unzähligen alten verdienten Kommunisten, die in den Exzessen der Kulturrevolution gedemütigt und oft genug völlig ruiniert worden waren. Nach ihrem bekanntesten Opfer, Deng Hsiao-ping, lautet die Anklage auf Verbrechen gegen den Staat und auf Verfolgung ihrer Rivalen in der Partei, auf Usurpation der Parteiführung, Verschwörung, bewaffneter Rebellion, Mord und Geheimnisverrat.

Als fünfter in der Bande sitzt unsichtbar auch Mao Zedong selbst auf der Anklagebank. Denn die Viererbande behauptet, nur seine Anordnungen ausgeführt zu haben, während die heutigen Herrscher entschuldigend vorgeben, der senil gewordene Mao sei von seiner Frau und dem hinter ihr stehenden Klüngel der Radikalen schändlich mißbraucht worden.

Ursprünglich sah das Drehbuch der jetzigen Führung in Peking vor, daß die

„Viererbande" in einer Art öffentlichem Schauprozeß demütig ihre Vergehen bekennen und bereuen würde. Doch Jiang Qnig durchkreuzte nach Gerüchten aus Peking diesen Plan durch ihre hartnäckige Weigerung, ein Schuldbekenntnis abzulegen und mit der Staatsanwaltschaft zusammenzuspielen, um ein niederes Strafmaß zu erwirken. Sie lehnt alle Anschuldigungen ab und erklärt immer wieder, alle ihre Taten während der Kulturrevolution seien auf Maos Anordnung hin geschehen.

Ein Schauprozeß nach dem Moskauer Beispiel der dreißiger Jahre wird es dieser Tage also nicht geben, das wollte die Pekinger Führung aber auch gar nicht. Ihnen schwebt als Vorbild viel mehr der Nürnberger Kriegsverbrecherprozeß vor.

Die heutige Führung braucht diesen Prozeß, um die während der Kulturrevolution in führende Stellen in Partei und Staat aufgestiegenen Radikalen auszubooten und ihren gemäßigten Kurs gegen eventuelle Rückschläge abzusichern. Freilich, die Säuberung der Radikalen ist schon seit längerem im Gang.

Inzwischen verschwinden auch die letzten Bilder Mao Zedongs aus dem chinesischen Alltag. Man diskutiert bereits, ob nicht auch sein protziges Mausoleum beseitigt werden soll. Daß dagegen nicht landesweit der Widerstand der alten Kulturrevolutionäre erwachen soll, ist kaum anzunehmen. Solange viele von diesen noch in ihren Ämtern die Modernisierung Dengs sabotieren können, ist der neue Kurs nicht endgültig abgesichert.

Das ist die historische Dimension dieses Prozesses.

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